Ich und du Muellers Kuh
Dienst stehend an der Seite meines Mannes. Nun sollte ich nur noch in dieser luftigen Wohnung hocken, seinen müden Kopf an die Brust drücken und die Sorgen von seiner Stirn streicheln? Nein, nicht doch! Diese Stelle war ja noch abstoßender als die anderen und für glückliche Pfarrehen absolut ungeeignet. Ich signalisierte zu Manfred hinüber, daß es höchste Zeit sei und daß wir heim wollten.
Auch sein Gesicht war düster umwölkt. Die Jugendarbeit saß ihm wie ein Stachel im Fleisch. Mußte zu eigener Kinderaufzucht, zu Religions- und Konfirmandenunterricht nun auch noch diese Last auf seine Schultern gelegt werden? Er fühlte sich viel wohler in Gesellschaft Erwachsener, die ähnliche Probleme hatten wie er und die, über Sturm und Drang hinaus, bereits zu einer gewissen Reife gelangt waren. Ein Blick von ihm zu mir, und wir waren uns einig wie selten einmal. Nicht diese Pfarrstelle! Nicht diese Wohnung! Nicht diese Stadt! Je schweigsamer wir wurden, desto wortreicher drang der scheidende Theophil auf uns ein. Er schilderte die Gefahren des Straßenverkehrs besonders für Kinder, klagte über die Lärmbelästigung und den Kirchengemeinderat und entließ uns mit dem Gefühl, noch einmal glücklich davongekommen zu sein.
Schweigend hasteten wir die Treppen hinunter, flüchteten in unser Auto und ließen die Stadt aufseufzend hinter uns. Erst in der Stille der dunklen Wälder gewann ich die Sprache wieder.
»Zuviel Aufgaben sind nichts, aber gar keine sind auch nichts!«
»Wir müssen Geduld haben«, sagte Manfred, »irgendwann wird sich eine schöne Stelle bieten. Wir brauchen nichts zu überstürzen, wir haben Zeit.«
Also sprachen wir zueinander, drückten uns kurz, aber liebevoll die Hand und waren schon wieder einig. »Jugendarbeit!« murmelte Manfred, »der Himmel behüte mich!«
»Und erst dieser enge Flur!« fügte ich hinzu.
Wir warteten ein halbes Jahr. Es bot sich nichts Verlockendes, soweit wir auch unsere Blicke in den Stellenangeboten und im Ländle schweifen ließen. Mittlerweile- aber das wußten wir nicht und suchten deshalb in aller Ruhe weiter — mittlerweile waren wir bereits in die Mühlen des Oberkirchenrates geraten.
Es meldete sich nämlich niemand auf die vierte Pfarrstelle der Nikodemuskirche, und also fragte der zuständige Oberkirchenrat bei dem früheren Stelleninhaber an, Wer sich denn für die Stelle interessiert habe. Schon saßen wir im Netz, denn wir waren die einzigen gewesen.
Manfred wurde zum Oberkirchenrat gebeten.
Er ging nichtsahnend, mit frohem Herzen. Er kehrte zurück, kummervoll, mit trauriger Nachricht. Man hatte ihm nahegelegt, sich zu bewerben. Nikodemus vier wäre genau das richtige für ihn.
Nach dem Dorf in die Stadt. Nach dem Solistenpart die vierte Geige. Welch gute und nützliche Abwechslung! Welche Bereicherung des inneren Werdegangs! Er solle es sich nicht lange überlegen, sondern fröhlich zugreifen im festen Glauben an die Weisheit des Oberkirchenrates und an die Hilfe Gottes.
Nun hatte ich früher einmal an eben dieser Weisheit gezweifelt, hatte gejammert und geklagt und den Weg nicht gehen wollen, den sie vorschrieb, welcher Kleinglaube mir gar viel Selbstvorwürfe und Herzeleid eingetragen hatte. Also beschloß ich, folgsam und gläubig zu tun, was man an höchster Stelle für richtig erachtete. »Den Fehler habe ich einmal gemacht«, sagte ich in belehrendem Ton zu Manfred, »den mache ich bestimmt nicht wieder! Weißt du, man wird klüger mit den Jahren und lernt aus seinen Fehlern.«
Manfred brach in Lachen aus.
»Ja, wirklich, tust du das?« fragte er und lachte noch viel mehr, »dann will ich mich gleich deiner Erkenntnis Eigen und die Bewerbung schreiben. Vielleicht haben wir Glück, und sie nehmen uns nicht!«
»Sei nicht albern, Manfred, und hör auf zu lachen! Wen sollen sie denn sonst nehmen, du bist doch der einzige Bewerber.«
»Keiner hat sie gewollt, ich hab sie gleich gehabt!« Jetzt klang seine Stimme nicht mehr ganz so fröhlich.
»Warum guckst du mich dabei an, Manfred? Wen hat keiner gewollt und du gleich gehabt?«
»Die Stelle, Malchen, die Stelle!«
Viehmarkt und Abschied
An einem schönen Sonntagmorgen fiel der städtische Kirchengemeinderat in Weiden ein, um den Pfarrer predigen zu hören und die Pfarrfamilie zu besichtigen.
Sie hatten sich vorher telefonisch angemeldet, worauf wir in hektische Betriebsamkeit verfielen.
Manfred verwandte besonders viel Sorgfalt auf die Auswahl der Lieder und arbeitete
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