Ich und du Muellers Kuh
Mathias wiegte tadelnd das Haupt, »a bravs, kleins Mädle sagt so ebbes net!«
Das Hamsterle aber war nach Ausstoßung dieses fürchterlichen Wortes keiner weiteren Beschimpfung mehr fähig. Es ging gemessenen Schrittes zur Tür, den Gang entlang, drehte sich dann um, schoß zurück, flink wie ein Wiesel, und biß dem verdutzten Mathias kräftig in die Hand.
»Au verflixt!« rief der, aber da sauste das Hamsterle schon die Treppe hinunter.
»Da kannsch sehe«, sagte Mathias zu seinem Bruder, »wie gut ‘s isch, daß mir kei Schwesterle habet.«
Nach drei Tagen begehrte der Patient, daß man ihm ein Lager im Wohnzimmer richte und den Fernseher einschalte, damit er eine Abwechslung habe. Friederike, welche heute Schäfle hieß, äußerte ihr Befremden über einen solchen Wunsch.
»Fernsehen ist nicht gut für ihn, Frau Müller! Da kriegt er einen Rückstoß! Und wenn jemand kommt und sieht ihn, dann erschrickt er.«
Tatsächlich kam Besuch. Frau Schwälble war es, eine Gemeindedienstfrau, hübsch und jung. Nach jedem Gottesdienst wartete sie auf Manfred, um ihm mitzuteilen, wie wohl ihr seine Predigt getan und wie sie den Eindruck gewonnen, daß dieselbe ganz allein für sie bestimmt gewesen. Dabei schlug sie die Augen schmachtend zu ihm auf und lächelte süß, so daß sich meine sonntägliche Milde in Galle verkehrte.
Sie also kam und sprach, sie habe gehört, der Herr Pfarrer sei krank und sie wolle ihm deswegen ein Krankenbesüchle machen. O, wie hüpfte mein Herz und sprang vor Freude. Heute, so dachte ich, hat ihn der Herr in meine Hand gegeben! Lasse ich sie zu ihm, so hat er im selben Augenblick eine Anbeterin verloren. Denn welche Verehrung ist so tief und welche Schwärmerei so gefestigt, daß sie den Anblick eines mumpsgesichtigen Götterbildes ertragen könnte? Schaudernd würde die Dame ihr Haupt verhüllen, fliehen und für alle Zeiten geheilt sein!
»Frau Müller«, das Schäfle zupfte mich am Rock, »die Frau will den Herrn Müller besuchen, darf die das?«
»Nein, leider nicht, Frau Schwälble! Es ist sehr freundlich von Ihnen, aber der Arzt hat ihm völlige Ruhe verordnet!«
Sie sah mich an, und was sie dachte, war leicht zu erkennen. Du willst mich nur nicht zu ihm lassen, du eifersüchtige Nudel! So etwas mochte sie denken, und aus dem Wohnzimmer klang die Stimme des Fernsehansagers, und das Schäfle sah mich an und sagte gar nichts, denn es war ein verständiges kleines Mädchen. Die Hübsche, Junge schlug mir den Strauß — in Gedanken um die Ohren — , in Wirklichkeit in die Hand, bestellte recht, recht herzliche Grüße und tiefempfundene Genesungswünsche, nestelte ein Schüsselchen aus ihrer Einkaufstasche, sagte, dies seien Erdbeeren aus ihrem Garten, selbst gepflückt und selbst geputzt und selbst gezuckert und nur der Herr Pfarrer selbst dürfe sie essen.
»Ich mag keine Erdbeeren«, bemerkte das Schäfle, »denn ich kriege eine Allergie davon, und die Frau Müller, glaube ich, auch und die Buben. Der Herr Müller kann sie ganz alleine essen, vielen Dank! Auf Wiedersehn!«
Wir gingen ins Wohnzimmer.
»Frau Schwälble ist da, Manfred, sie will dir ein Besüchle machen!«
»Um Himmels willen!« ächzte er, »bloß nicht! Schick sie weg!«
»Du brauchst nicht so zu jammern, Herr Müller!« sagte das Schäfle vorwurfsvoll, »wir haben sie ja schon weggeschickt!«
Er ließ sich erleichtert zurück in die Kissen fallen und bat dann darum, ihn wieder zu seinem Bett im Schlafzimmer zu geleiten.
Am nächsten Tag wollte er nicht fernsehen und nicht lesen, wälzte sich auf seinem Schmerzenslager hin und her und versank in tiefe Betrübnis.
»Was hat er denn?« fragte Friederike. »Er ruft nicht und klingelt nicht und will nichts und liegt bloß so im Bett. Frau Müller, ich glaub, er ist traurig. Einer muß ihm Märchen erzählen! Ich oder du?«
»Zählen wir ab«, sagte ich und zählte: »Ich und du, Müllers Kuh, Müllers Esel, das bist du!«
Friederike mußte Märchen erzählen und sie war es zufrieden.
»Frau Müller, das ist ein schöner Spruch, ich will ihn lernen, und heute mußt du mich >Kühle< heißen!«
Wir gingen also zu Manfred, das Kühle und ich, und setzten uns auf seinen Bettrand. Er sah wirklich traurig aus, irgendetwas bedrückte ihn.
»Ist was, Manfred?«
»Ja, ich habe zuviel Zeit zum Nachdenken...«
»Wir erzählen dir jetzt eine Geschichte, Herr Müller, dann brauchst du nichts mehr zu denken.«
»Friederike, ich würde gerne einmal mit meiner Frau
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