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Ich war der Märchenprinz

Ich war der Märchenprinz

Titel: Ich war der Märchenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Piewitz
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sich? Ich nicht. Auch bei mir geht nicht eine Liebe ihren ruhigen Gang, bei mir »läuft ’ne Beziehung« ab. Ehrlich, es nützt ja nichts, wenn man drumherumredet...
    Ich habe eine astreine Handschrift. Keine krackelige Kinderschrift wie die meisten. Ich schicke der linken Frau, 24, einen Satz, der mir heute früh beim Duschen eingefallen ist. Bring ihn in Zeilenform, könnte glatt als Gedicht durchgehen:

    bevor die Sonne scheint
    ist es am kältesten
    danach
    ein neblig-trüber Tag
    bis zum Abend.

    Überlege, ob ich »Dichter Nebel« drunterschreiben soll, lasse es. Schreibe stattdessen:
    »Ich bin zur Zeit ein bißchen down, weil ich einige sehr wichtige und schöne Dinge verloren habe (Arbeit, Wohnung, Freundin). Aber es kommt wieder.
    Ich suche nicht jemand, an den ich mich anklammern kann, sondern mit dem ich reden (über persönliche und politische Dinge), Spazierengehen und Bier saufen kann. Arne, 26 J.
    Am besten bin ich morgens zwischen sieben und neun zu erreichen.«

    So, das schicken wir jetzt mal weg an Chiffre 9003, und dann werden wir ja sehen, was passiert.
    Hoffentlich ruft sie an einem Morgen an, wo ich auch wirklich zu Hause bin. Man kann sich ja nicht extra um sechs Uhr früh aus dem Deckbett in die U-Bahn wühlen, bloß, weil man um sieben am eigenen Telefon sitzen muß...
    Es ist der 13.... fünf nach sieben klingelt’s. Ich total kaputt. »Ja, hier ist M. Du hast dich auf meine Anzeige gemeldet... Ist das Gedicht von dir selber?« — »Hm, ist es.« — »Ich schreib auch Gedichte... Ich will meine grade mit anderen Leuten zusammen rausbringen...« — »Hm, gut.« — Hat gleich heute nachmittag Zeit zum Spazierengehen, die junge Frau. »Du wohnst in Altona?« »Ja.« »Wo wollen wir denn spazieren gehen?« »An der Elbe.« »Ist okay. Bis halb drei. Tschüß!«

    Täusche ich mich, oder war die Stimme wirklich besonders laut? Jedenfalls extrem temperamentvoll für diese frühe Stunde.
    Und was machen wir, wenn’s regnet? Na, erstmal angucken. Kommen lassen. Vibrations antesten. Keine Pläne. Vielleicht ist es ja auch Haß auf den ersten Blick. Es gibt genug Cafés. Und Vorsicht, wenn sie gleich bei sich zu Hause diesen wahnsinnigen Zitronenblüten- oder Jasmintee aufbrühen will. Damit melden sie immer ihre Optionen an... Keinesfalls zu mir nach Hause. Sonst steht sie eines Tages vor der Tür, und es paßt überhaupt nicht. Vorsicht in der Preisgabe der eigenen Adresse gehört zur Grundausstattung jeder gut rollenden Beziehungskiste...

    Bahnhof Altona. Stehe da, warte. Da kommt sie. Oder ist sie das nicht? Da kommt keine andere, die es sein könnte. Steuert auf mich zu. Erster Eindruck positiv. Ich gehe auf sie zu. Sie guckt mich an. Sie ist es.
    Gottseidank, das Wetter ist gut. Spazierengehen. Gottverdammter Mist, ich muß nochmal kurz nach Hause, Flugblätter holen. Ich blöder Hund hab die vergessen. Ruhig bleiben. Das fängt ja gut an. Hoffentlich wartet sie unten auf der Straße, mein Namensschild steht an keiner Tür. Sie stiert mich an, als hätte ich ihr gerade eine Vergewaltigung angedroht. Sie wartet. Eine Minute später bin ich wieder unten.

    Auf dem Spaziergang redet sie. Nein, sie redet nicht — sie blubbert. Ununterbrochen. Erzählt was von aktiver Isolation, von tausenden von netten Frauen, die sie kennengelernt hat, bei der Frauenarbeit in Frauengruppen. Dann erzählt sie was von der Antifaschismusarbeit und daß sie die ja nun überhaupt nicht erträgt, weil die Typen in der Arbeitsgruppe ihr so ’ne Arbeitsweise aufzwingen, wo sie keine Zeit hat, ihre eigene Arbeitsweise zu entwickeln. Na ja, vielleicht haben die eben auch nicht so viel Zeit wie sie. Sie sagt, mit Frauen ist alles einfacher. Und sie weiß nicht, wie sie Männer kennenlernen soll. Sie hat keine Lust, ihre Rolle als Weibchen zu spielen und sich anmachen zu lassen. Das ist in Ordnung, das versteh ich. Sie guckt mich an, als ob sie daran zweifelt, daß ich das verstehe. Sie will keine »Zweierbeziehung«, und ich nicke verständnisvoll mit dem Kopf, aber daß sie irgendwie Unsinn redet — darauf mache ich sie nicht aufmerksam. Noch nicht. Und sie sagt weiter, daß sie es irgendwie verlernt hat, Männer anzumachen, und ich gebe ihr dezent zu verstehen, daß ich das nicht unbedingt für’n Fehler halte. Und natürlich betont sie, daß sie überhaupt nichts von mir will, in ihrer Anzeige ist ja auch von »Männern« die Rede, und für solche Fälle habe ich ein sehr sympathisches Grinsen parat, das

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