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Ich war der Märchenprinz

Ich war der Märchenprinz

Titel: Ich war der Märchenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Piewitz
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sie küßt mich nieder. Die Märchenprinzen sollten unter sich bleiben....

    Sie verschwindet zum Pinkeln hinter einem Busch. Auch kein heuriger Hase, die junge Frau! Weiß durchaus, wie frau die Phantasien eines Mannes noch ein bißchen höher kitzeln kann. Eins steht fest: Heute abend wird festlich gefickt. Aber hallo!

    Wir verabreden uns für den späten Abend. Am frühen Abend habe ich einen Termin, Anti-AKW-Arbeit, wir bereiten die Demo am Bauzaun von Brokdorf vor. Ich will die nächsten Tage da verbringen. Mensch muß was tun gegen diese Monstren, diese politische Arbeit ist mir unheimlich wichtig, ich will mir später nicht vorwerfen (lassen) müssen, ich hätte mich nicht gewehrt, hätte keinen Widerstand geleistet gegen den Atom-Polizei-Staat. Die Zeit und die Freiheit, solange es sie noch gibt, den Widerstand zu organisieren, muß ich haben, da darf mir nichts beschnitten werden, wer das nicht kapiert und voll inhaltlich akzeptiert, wird Schwierigkeiten im Umgang mit mir haben.
    Ich sehe ihr an, daß sie enttäuscht ist, daß ich nicht schon früher am Abend Zeit für sie habe. Sie sagt es nicht, aber ich merke es ganz genau: sie will, daß ich den Termin absage. »Nur heute, ausnahmsweise mal« betteln ihre Augen. Nix da. Ich hasse es, wenn mir jemand ein schlechtes Gewissen einzuimpfen versucht. Ich habe kein schlechtes Gewissen, und ich lasse mir das auch nicht einreden. Aber ich soll ein schlechtes Gewissen haben, weil ich sie »ausgerechnet heute allein« lasse. Ich soll ein schlechtes Gewissen haben, weil es außer ihr auch noch ein paar andere wichtige Dinge in meinem Leben gibt. Ihr Schweigen ist ein einziger dicker Vorwurf. Sie versucht zu verbergen, daß sie schmollt.
    120 Pfund Verkrampfung, ach du meine Güte.
    »Komm doch mit«, sage ich, »ist nicht sehr aufregend, aber da sind so’n paar Dinge, die müssen einfach besprochen werden, die Anwaltsfrage und so was...« Nein, sie will nicht. Sie will nicht als Politmieze in »meinen Kreisen« untergehen, sie will selbst rausfinden oder weiß zumindest ansatzweise schon, wo’s langgeht, ihr eigener politischer Weg ist genauso wichtig wie meiner und die Fremdbestimmung durch die Typen in diesen Arbeitsgruppen und Bis, das stinkt ihr sowieso alles, und warum soll sie sich da einklinken, das hat sie lange genug gemacht, und es geht ihr jetzt im Moment nur noch darum, wie sie als Frau selbst ihre politische Richtung bestimmt.
    Na ja, was soll ich dazu sagen? Irgendwo verstehe ich das, wenn sie keine Lust hat, sich in meine Sachen mit reinzuhängen. Schließlich, das will ich ja gerne ehrlich zugeben, habe ich mich bislang auch nicht sonderlich intensiv um die Frauenfrage gekümmert. Andererseits — auch wenn die AK Ws in erster Linie von Männern geplant, finanziert und gebaut werden: sie bedrohen uns schließlich alle. Klar, Frauen sind es gewöhnt, von Männern und ihren Erfindungen bedroht zu werden — aber muß die Konsequenz daraus denn heißen, sie können auf den gemeinsamen Widerstand so ohne weiteres scheißen?
    Na, die Unterhaltung hätte ich mit Sabine auch haben können. Vielleicht nicht ganz so hektisch. Ich bin etwas irritiert. Aber gefickt wird, das ist klar. Wir treffen uns also nach meinem Termin. Bei ihr.

    Sie hat sich fein gemacht, ohne Frage, extra fein gemacht. Frisch gewaschene Haare, gut geschminkt... Meine latente Grundgeilheit drängt stürmisch nach außen zu Handgreiflichkeiten. Ich nehme mich zusammen. Sie geht vor mir die Treppe hoch, wackelt mit dem Arsch. Ich soll sehen, daß sie einen Rock anhat, einen schönen langen Rock, und nicht die etwas zu weiten Jeans vom Nachmittag. Ich hab’s natürlich gleich gesehen, sage aber nichts. Bin unschlüssig, ob es in dieser Situation für einen Märchenprinzen ratsam ist, solchen Äußerlichkeiten bewundernd Respekt zu zollen. Nein, der Prinz nimmt die Garderobe der Hofdame ohne Kommentar als dem Zeremoniell angemessen entgegen. Ob sie wohl ein Höschen unter dem Rock anhat? Arne, du Sau, nimm dich zusammen. Und hör auf, dir die Lippen zu lecken, cool, Mann, cool. Wir sitzen auf ihrem Bett und trinken Wein und bringen etwas mühselig eine Art Konversation zustande. Irgendwas über Brecht. Ich habe wenig Ahnung, wovon wir reden, aber sie hat offensichtlich gar keine. Man kann seinen Brecht ja auch demonstrativ aufgeklappt rumliegen lassen, weil’s gut aussieht. Was liegt noch rum? Natürlich ihre eigenen Gedichte. Ich weiß nicht, aber es kommt mir ein bißchen so vor wie

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