Ich will meinen Mord
in Valence.
Das Wetter zieht sich zusammen, rechts rauschen die letzten südlichen Felsen vorbei, Kirchtürme aus Eisen, Kirchtürme mit Warzen auf den Dächern, die letzten Madonnen schauen grünlich von den Felsen, das Gespräch der Schweizerinnen ist von dem hilfswilligen morgendlichen Hotelgast wieder in ihren Urlaub zurückgeglitten, eine erste Verwandlung des noch nicht ganz geschlossenen Wanderurlaubs in den Pyrenäen in eine geschlossene Urlaubsgeschichte wird geprobt, in der Pau und Heinrich der Vierte vorkommen, das Herbstlicht, unten die Wärme in den Tälern und oben bereits der Schnee, einige Bergseen sehr grün, Lourdes, ein Abstecher nach Bayonne, eine Urlaubsbekanntschaft, mit der Adressen getauscht worden sind, überflüssigerweise, wie sich später herausstellen wird. Steinpilze werden saisongerecht in den Bericht aufgenommen, Steinpilze à la crème, obwohl ihres Wissens die regional-aquitanische Küche sie mit Knoblauch und Petersilie vorschreibt, in Butter gebraten, diese nun à la crème, ein baskisches Huhn war ein Reinfall und wird fortan nicht mehr erwähnt.
Das alles will mir nicht recht gefallen. Ich will Viszman ermorden und keinen Reisebericht aus den Pyrenäen.
Ich finde: Schweizerinnen haben in den Alpen zu wandern. Um Bern herum gibt es die schönsten Alpen, eine schöne regionale Küche mit Steinpilzen und Käsefondue; und wenn sie durchaus von ihren Männern und Kindern einmal Urlaub brauchen, können sie den in vernünftiger Entfernung im eigenen Land finden, Lausanne beispielsweise, Evian, wenn es denn unbedingt französische Franken sein sollen, mit denen die Reise bezahlt wird, Evian und die dortigen Fischfritüren auf der herbstlich warmen Terrasse am See.
Ich will sie aus dem Zug haben, am liebsten noch vor Valence. Natürlich verstehe ich, daß ihnen einmal im Jahr die geliebten Familien zum Halse heraushängen, und dann werden zum Kinder- und Männerversorgen die Mütter gerufen, die eine reist aus Adliswil herbei, die andere aus Neuchâtel, all das klingt resolut und patent und praktisch, aber hier hat es nichts zu suchen.
Hier wird ein Mord vorbereitet.
Ich müßte noch mal von vorne anfangen.
Ich müßte in einem leeren Abteil anfangen, ohne die harmlosen Schweizerinnen, denen Toulouse überhaupt nicht gefallen hat, eine erstaunlich uninteressante Stadt, aber natürlich kennen sie nur den Bahnhof.
Also von vorne. Einsteigen. Ich mit Reservierung, Fensterplatz Raucher ab Montpellier. Compartiment 23 , Place 96 . Viszman steigt in Avignon ein. Ob hier frei sei. Er sagt, c’est libre? Ein leiser Akzent in der Stimme. Offenbar hat er nicht reserviert.
Die Schweizerinnen machen Urlaub am Matterhorn, um sich von ihren Familien einmal im Jahr zu erholen. Ich habe ihnen das Wandern ausgeredet und das Skifahren nahegelegt und ihnen abends ausreichende Mengen Grog genehmigt, plus pro Person einen Flirt, wobei der Flirt der Blonden ins Gefährliche rutscht, zumal der betreffende Herr in Konstanz lebt und aus beruflichen Gründen häufig die Schweiz bereist; daß er Pharmavertreter ist, sagt er nicht, sondern macht dunkle Andeutungen, die in Richtung Waffenexporte gehen. Ich habe der Blonden eingeschärft, daß man in ihrem Alter als Hausfrau von solchen Sachen besser die Finger läßt, insbesondere als patente Familienmutter in glücklicher Ehe und vor allem: ausgestattet mit dieser notorischen Schweizer Ehrlichkeit, die mir ein Dorn im Auge ist, sosehr gerade diese Ehrlichkeit bislang zum Gelingen einer Ehe, zum Frieden eines berner Familienlebens beigetragen haben mag, das nun allerdings durch einen konstanzer Flirt am Matterhorn ein wenig ins Schwindeln und durcheinandergeraten wird; aber schließlich kann jedes Familienleben von Zeit zu Zeit ein Durcheinandergeraten vertragen; der Mann der Blonden zum Beispiel, ein Südtiroler, fährt keineswegs, das ahnt sie bloß, während ich es mit Sicherheit weiß, allein aus beruflichen Gründen seit ein paar Monaten dauernd nach Yverdon, das heißt, natürlich ist er dort mit Restaurationsarbeiten an der romanischen Kirche befaßt, natürlich gehört zu diesen Restaurationsarbeiten, daß er die Orgelkonzerte in einem so wunderbaren Gebäude mit einer so wunderbaren Akustik nicht versäumt, die Blonde selbst hat ein Orgelkonzert aus dieser Kirche in Radio Suisse Romande gehört, Sonntag vormittags in der Küche, nicht wissend, daß der Organist eine Organistin ist mit Freizeitinteresse an romanischen Restaurationsarbeiten eines
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