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Ich will meinen Mord

Ich will meinen Mord

Titel: Ich will meinen Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Vanderbeke
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Notwehrstrategie zu profilieren und eine versuchte Vergewaltigung nicht nur vor dem Gericht durchzusetzen, sondern auch gegen die Presse, die bei diesem Prozeß ein harter Brocken sein wird, indem sie geradeheraus politische Motive im Spiel wähnt, da es sich bei der Person des Ermordeten bekanntlich um einen Exkommunisten mit grenznaher Deckadresse in Thionville handelte, die Presse zieht eben dieses »Ex« mit guten Gründen in Zweifel, wofür sie Belege zitiert aus der jüngsten Geschichte sowie auf die Tatsache hinweist, daß Viszman zweiter Klasse fuhr, obwohl er einen Fahrschein der ersten Klasse in der linken Jackentasche hatte. Das »Ex« dementsprechend immer in Anführungszeichen. Mein Strafverteidiger soll endlich zeigen dürfen, was er kann, und seinen kleinen Fischen durch einen großen Prozeß entkommen, anstatt einmal die Woche an die Grenze fahren zu müssen und bei den dortigen Behörden die Abschiebungen seiner illegalen Mandanten, alles arme Schweine, sagt er, dann doch nicht verhindern zu können, weil man bei Abschiebebeamten nicht mit Notwehrstrategien glänzen kann, sondern nur mit Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitserlaubnissen, die mein Anwalt indessen für seine Untergrundmandanten nicht hat. Mein Strafverteidiger braucht seinen Mord.
    Sobald die drei sitzen, bieten sie rundherum allen Kaugummis an. Nein danke für mich. Die Schweizerinnen können offenbar gleichzeitig rauchen und Kaugummi kauen, Viszman lehnt ab und geht auf den Gang rauchen. Schätzungsweise ist er vier Zentimeter größer als ich. Höchstens eins fünfundsiebzig.
    Ich habe nie verstanden, was manche Frauen an Riesen finden.
    Die Luft im Abteil ist schlecht, zudem zieht es, und die Heizung, die in Montpellier unnötig war, ist dem nassen Herbst um Lyon herum nicht mehr gewachsen. Ich wünschte, ich hätte das Auto genommen.
    Mit Blick auf Viszmans Hinterkopf höre ich die Fortsetzung eines Gesprächs, das offenbar schon im Gange war, bevor sie hereinkamen. Drei Terminkalender sind gezückt worden, Ferien werden verglichen und abgestimmt, Nationalparks und Naturschutzgebiete müssen nach Plan inspiziert werden, Überraschungsbesuche dreier Inspektoren werden vorbereitet, Kaugummis in Aschenbecher geklebt, ich muß mir zusammenreimen, was ich nicht weiß, nämlich daß sich die Nationalparks und Naturschutzgebiete in inspektionsbedürftigem Zustand befinden, wer hätte das gedacht; die Besuche der Inspektoren, soviel ich verstehe, unangekündigt, da den Direktionen nicht Gelegenheit gegeben werden darf, kurzfristig an den Nationalparks herumzumanipulieren; sobald ein Inspektor seinen Besuch ankündigt, werden von seiten der Direktion die Nationalparks in Potemkinsche Dörfer verwandelt, daher stichprobenartige Überraschungsinspektionen im ganzen Land.
    Die Frage ist sodann: Soll die Öffentlichkeit unterrichtet werden über den desolaten Zustand der Nationalparks, wie ihn die Überfälle der Inspektoren zutage fördern? Eine politische Frage selbstverständlich, ich bin für rückhaltlose Aufklärung einer Bevölkerung, die ja nicht Eintritt zahlt, um sodann in Potemkinschen Dörfern zu wandeln. Aber so einfach ist das nicht, wie ich höre: die Meinungen gehen auseinander, denn die Enthüllung des Zustands, gewisser Zustände in gewissen Nationalparks, muß einschränkend hinzugesetzt werden, könnte insbesondere einem Monsieur Barbagelata sehr gelegen kommen, der nicht zögern wird, aus einer solchen Enthüllung umgehend politischen Gewinn zu ziehen, um das moralische Ansehen seiner Partei zu verbessern, die gerade jetzt, nach Aufdeckung skandalöser Gewinnziehungen aus dem Sumpf kommunaler Immobilienpolitik, eine. Aufbesserung ihres Ansehens gut gebrauchen könnte.
    Sumpf überall, des marécages partout, sagt die Inspektorin.
    Den Blick auf Viszmans Hinterkopf und durch Viszmans Hinterkopf abgelenkt vom Gespräch, habe ich nicht verstanden, ob sie den Sumpf in den Direktionen der Nationalparks und Naturschutzgebiete meint oder die regionalen Sümpfe des Monsieur Barbagelata, eines offenbar machtbesessenen Profiteurs, den man einmal genauer unter die Lupe nehmen müßte. Schon der Name klingt wie ein Pseudonym: nach Mafia und Waffenhandel, und es ist unwahrscheinlich, daß eine Veröffentlichung des Inspektionsberichts den Nationalparks und Naturschutzgebieten aus dem Sumpf der Direktionen heraushelfen könnte und so dem Erhalt der naturgeschützten Sümpfe dienlich wäre, solange jener Monsieur Barbagelata die Finger im

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