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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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umgaben mich. Keine Fenster. Wenn ich eine Wand anschaute, hatte ich das Gefühl, die andern rückten immer näher.
    Es war ein furchtbar kleiner Raum. Und du warst nicht da.
    Nur ich.
    Irgendwann spürte ich kalte Finger auf meiner Haut. Sie wickelten etwas um mich herum.
    »Wo ist Ty?«, fragte ich.
    »Wer?« Eine Frauenstimme, schon älter.
    »Ty?«
    Die Finger hielten still. Ein Seufzer.
    »Du brauchst dir wegen ihm keine Sorgen mehr zu machen«, sagte die Stimme leise. »Er ist weg.«
    »Wo ist er?«
    Die Finger glitten zu meinem Handgelenk und drückten es, mit schrecklich kalten Fingerspitzen. »Deine Eltern sind unterwegs.«
    Ich schlief.
    Ich spürte Blut zwischen den Beinen … Meine Periode, endlich. Ein paar Wochen zu spät. Angeblich kann Angst manchmal dazu führen, dass sie ausbleibt. Ich lag einfach nur da und sah zu, wie die Schwester die Bettwäsche wechselte, zu benebelt, um es peinlich zu finden.
    Ich schlief wieder ein, sehnte mich nach einem Traum.
     
     
    Mums Stimme hörte ich zuerst. Hoch und schrill hallte sie durch den Korridor.
    »Wir sind so schnell wie irgend möglich losgeflogen«, sagte sie. »Wo ist sie?«
    Das Klackern ihrer Absätze kam näher … wurde lauter.
    Im Hintergrund war die ruhige Stimme von Dad, der mit jemandem sprach.
    »Vergiftungsbedingtes Koma«, sagte die dritte Stimme. »Sie wird sich eine Weile lang seltsam fühlen.«
    Dann waren sie auf einmal alle drei bei mir im Zimmer; Mum und Dad und ein Arzt im weißen Kittel. An der Tür stand ein Polizist. Mum drückte mich und nahm mir die Luft mit ihrer weichen Kaschmirjacke und ihrem teuren Parfum. Sie schluchzte an meiner Schulter. Dad stand hinter ihr und sagte irgendwas. Er lächelte, sein ganzes Gesicht lag in Falten vor lauter Lächeln. Das verwirrte mich kurz, denn Dad hatte mich früher nie so angelächelt. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Dann redeten alle durcheinander, stellten mir Fragen und musterten mich … Ich blickte von Mum zu Dad und zu dem Arzt. Es war mir alles zu laut. Ich sah, wie ihre Münder auf- und wieder zugingen, aber ich begriff nicht, was sie sagten. Ich schüttelte den Kopf.
    Dann hörten plötzlich alle auf zu reden, fast gleichzeitig. Sie starrten mich erwartungsvoll an.
    Mum trat einen Schritt zurück und betrachtete mein Gesicht. Ich machte den Mund auf. Ich wollte etwas sagen. Ich wollte mit ihnen reden. Ich wollte es wirklich. Ein Teil von mir, sogar ein ziemlich großer Teil, war so wahnsinnig froh, sie zu sehen, dass ich am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre. Aber ich konnte nicht weinen, konnte nicht mal sprechen. Es kam einfach nichts raus. Ich kriegte es nicht mal hin, die Arme zu heben, um sie zu umarmen. Nicht in diesem Moment. Nicht sofort.
    Mum übernahm das, sie vergoss Ströme von Tränen, die meinen Hals feucht und klebrig machten. »Oh, Gemma, es muss so schrecklich für dich gewesen sein«, schluchzte sie. »Aber jetzt sind wir ja hier und ich versprech dir, es wird alles wieder gut. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Du bist in Sicherheit.«
    Ihre Sätze klangen irgendwie sonderbar, als müsste sie sich selbst überzeugen von dem, was sie sagte. Ich versuchte sie anzulächeln. Ich strengte mich wirklich an. Jeder Muskel in meinem Gesicht tat weh. Und dann war da noch der Schmerz, der in meiner Stirn dröhnte. Die Lichter in diesem Raum waren einfach zu grell.
    Ich musste die Augen zumachen.
    Später kam Mum allein zurück. Ihre Augen waren rot und sahen müde aus. Sie hatte jetzt ein pfirsichfarbenes Oberteil an, das frisch gebügelt war und gut roch.
    »Wir hätten nicht alle auf einmal kommen sollen«, sagte sie. »Das muss schwer für dich gewesen sein … nachdem du so lange überhaupt niemanden um dich hattest außer …«
    Sie brachte deinen Namen nicht über die Lippen, ihr Gesicht verzog sich schmerzlich bei dem bloßen Gedanken an dich. Ich nickte, zeigte ihr, dass ich sie verstand, und sie redete weiter.
    »Die Ärzte haben mir erklärt, dass es Leuten manchmal sehr schwerfällt, wieder zurückzufinden in ihr richtiges Leben. Ich weiß, ich kann nicht von dir erwarten …« Ich sah ihr an, dass sie mit ihren Gefühlen kämpfte, aber ich begriff nicht, worum es ging. Ich runzelte die Stirn. »Ich weiß ja nicht mal, was er mit dir gemacht hat«, flüsterte sie. »Du wirkst irgendwie anders.« Sie wandte den Blick ab und biss sich auf die Lippen. Sie musste ein paarmal tief durchatmen, bis sie sich wieder gefasst hatte. »Wir haben

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