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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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Kamel etwas zu. Irgendwo zerbrach ein Stock.
    Du kamst mit Decken und Wasser zu mir zurück. Brachtest mich dazu, dass ich trank. Die ganze Zeit über hast du mit mir geredet, aber deine Worte waren nicht mehr als eine Geräuschkulisse; wie Wind, der den Sand herumwirbelt, oder wie Rauschen im Radio. Dann packtest du meinen Arm und stachst hinein. Ich spürte, wie mir etwas in die Venen rauschte. Danach wurde ich ein bisschen wacher.
    »Wir müssen uns beeilen«, sagtest du.
    Du hobst mich hoch und trugst mich zum Wagen. Deine Haut war voller Öl und Dreck und Schweiß. Du rochst nach Benzin. Das Auto brummte erwartungsvoll. Du hieltst inne, bevor du mich hineinlegtest.
    »Möchtest du dich verabschieden?«, fragtest du.
    Du hast mit der Zunge geschnalzt und die Kamelstute kam zu uns herüber. Sie beugte sich herunter und schnupperte an meiner Wange, ihr riesiges Gesicht dicht an meinem. Sie trug kein Halfter mehr. Ich streckte die Hand aus und berührte ihre samtige Nase, aber das Gefühl sachten Streichelns kam erst in meinen Fingern an, als ich sie schon wieder weggezogen hatte.
    »Das war’s«, murmeltest du.
    »Wie wirst du sie wiederfinden?«, versuchte ich zu fragen. »Wie findet sie dich?«
    Du gabst keine Antwort. Wahrscheinlich hattest du mich nicht verstanden. Du starrtest einfach nur weiter geradeaus auf das Kamel, mit leicht glasigen Augen.
    »Tschüss, Mädchen«, sagtest du leise.
    Du schnalztest noch mal mit der Zunge und die Kamelstute antwortete dir mit einem Grollen. Sie machte ein paar Schritte zurück, weg vom Auto. Du verstautest mich auf dem Rücksitz und lehntest mich mit dem Rücken gegen die hintere Tür, so dass mein Bein gerade lag. Du machtest die Tür zu. Ich sah, wie du der Kamelstute im Vorbeigehen ein letztes Mal auf den Rücken klopftest.
    Du jagtest den Motor hoch, um das Auto in Bewegung zu setzen, tratst immer wieder fest aufs Gaspedal. Die Reifen drehten sich aus dem Sand. Durchs Fenster beobachtete ich die Kamelstute. Als das Auto anfuhr, trabte sie los. Du erhöhtest das Tempo, woraufhin sie in einen leichten Galopp wechselte und weiter neben uns herrannte. Ich legte mein Gesicht gegen das Fenster und redete in Gedanken mit ihr. Ich wollte nicht, dass sie zurückblieb und wieder allein war. Wie sollte sie ihre Herde finden? Wie sollte sie dich finden?
    Irgendwann preschtest du davon. Sie stolperte im Sand und versuchte Schritt zu halten, doch dann wurde sie langsamer und blieb immer weiter zurück. Sie legte den Kopf nach hinten und jammerte, als wir verschwanden. Ich wollte genauso jammern. Wenn ich genug Kraft dazu gehabt hätte, dann hätte ich’s getan. Ich beobachtete sie, bis sie nur noch ein winziger Fleck in der Ferne war. Dort stand sie und sah uns immer noch hinterher.
    »Tschüss«, flüsterte ich.
     
     
    Der Wagen holperte und rutschte im Sand. Steine spritzten hoch und schlugen gegen die Fenster. Angespannt klammerte ich mich am Sitz fest. Jeder Schlenker, jedes Schwanken jagte einen stechenden Schmerz durch meine Muskeln.
    »Halt durch«, sagtest du.
    Aber das war schwer. Nach einer Weile fielen mir die Augen wieder zu. Ich merkte, wie ich im Sitz zusammensank. Das Gift breitete sich in meinem ganzen Körper aus, richtete mich leise zu Grunde. Es machte meine Glieder steif und hart. Es ließ mich träumen, dass meine Füße durch die Autotür wuchsen und im Sand versanken. Meine Haut verwandelte sich in trockene Rinde und meine Arme wurden zu Ästen. Meine Finger waren weiche, wispernde Blätter.
    Mir war vage bewusst, dass hier irgendwas zitterte. Mein Körper bewegte sich seitwärts, aber ich wusste nicht, wie. Die Bewegung hörte nicht auf. Irgendwas redete mit mir. Der Wind oder der Sand oder irgendwas sonst rief meinen Namen.
    »Gemma … Gem«, sagte es. »Wir sind fast da.«
    Aber mein Körper antwortete nicht. Ich versuchte die Augen aufzukriegen. Nichts funktionierte. Meine Glieder waren starr. Meine Finger zuckten und schwankten im Wind. Dann spürte ich deine Hand auf meiner Wange; sie war trocken und kühl.
    »Wach auf, Gem«, sagtest du. »Bitte, wach auf.«
    Ich versuchte, wieder Kontrolle über mein Gesicht zu kriegen, und spannte die Muskeln auf meiner Stirn an. Und diesmal schaffte ich es. Ich schob die Augen auf. Nur einen Spaltbreit. Aber mehr brauchte ich nicht. Ich sah dich. Du hattest dich vom Vordersitz nach hinten umgedreht, eine Hand lag auf dem Lenkrad, die andere auf mir. Hinter dir, auf der andern Seite der Windschutzscheibe, ragte

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