Ich wuenschte, ich koennte dich hassen
weiß nicht, was du gesagt hast. Aber in deinen Augen standen Tränen.
Meine Ohren gingen zu und die Maschine bewegte sich. Die weiß gekleidete Person kehrte zurück. Wieder legte jemand eine Maske auf mein Gesicht. Luft. Noch mal wurde mir irgendwas in den Arm gespritzt. Ich sah einfach nur dich an. Du warst das Einzige, was meine Augen offen halten konnte. Aber mein Brustkorb sank immer tiefer, glitt durch die weiche Matratze, durch den Flugzeugboden hindurch … eine Lawine begrub mich. Der Himmel um uns wurde orange und das Land unter uns rot. Wir flogen direkt in die Sonne.
Dann tauchte das Flugzeug nach unten und setzte holpernd auf. Ich wurde herausgeschoben, über den Asphalt gerollt. Es war dunkel, aber ein Stück weiter weg blinkten Lichter. Jemand nahm mir die Maske vom Gesicht. Du ranntest neben mir her, so wie du im Sand neben dem Kamel hergerannt warst. Diesmal hieltst du meine Hand; dein Griff war fest. Deine Augen ließen meine nie los. Wir kamen in ein Gebäude. Durch eine automatische Tür.
Dann machten wir halt. Ein Mann im Anzug stellte dir Fragen, drängte dich von mir weg. Du schriest und fuchteltest mit den Armen. Dann sahst du mich an … du sahst mich richtig an. Dein Blick war verzweifelt, du wolltest etwas … und du fandst es. Vielleicht. Deine Augen wurden feucht, als dein Blick über mich wanderte und auf meinem Gesicht, meinen Augen, meinen Haaren liegenblieb. Ich wollte etwas sagen, schaffte es aber nicht. Du drehtest dich zu dem Mann im Anzug um, brülltest ihn an. Dann warst du wieder bei mir. Beugtest dich über meine Liege. Berührtest mein Gesicht.
»Leb wohl, Gem«, flüstertest du. »Alles wird gut für dich.«
Dann hast du den Ring an meinem Finger berührt und dich im nächsten Moment von mir wegbewegt.
Nein. Ich schüttelte den Kopf. Nein.
Ich schnappte nach dir. Packte dich am Ellbogen. Meine Finger gruben sich in deine Haut. Mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, zog ich an dir. Ich zerrte dich zu mir. Du hast es geschehen lassen. Es ging ganz leicht. Und dann warst du auf einmal ganz bei mir. Ich strich mit den Fingern an deinem Arm entlang, streichelte deine nackte Brust, wollte deine Wärme spüren. Ich umklammerte deinen Nacken.
Mit letzter Kraft zog ich dein Gesicht zu mir her. Mein Kopf hob sich ein klein wenig vom Kissen, um zu dir zu kommen. Deine Haut war nur Zentimeter weit von mir weg. Dein Mund so nah. Meine Lippen berührten deine Wange. Ich schmeckte den Sand, das Salz und den Schweiß auf deiner Haut. Ich spürte deinen rauen Bart und deinen warmen Atem, sog den säuerlichen Geruch nach Eukalyptus ein. Deine Lippen auf meiner Haut waren weich.
Und dann wurdest du plötzlich von mir weggerissen. Jemand hielt dich fest. Und ich sank zurück. Ich sah dir in die Augen, als ich weggebracht wurde. Ich schmeckte immer noch das Salz auf meinen Lippen.
Du hast nicht geweint. Du hast dich nicht mal bewegt. Du hast nur dagestanden wie ein Felsen und mich angesehen, während das Krankenhauspersonal dich einkreiste. Jetzt warst du der Gejagte. Ich wollte die Hand heben, wollte dir danken. Aber ich konnte nur zusehen, wie ich rückwärts durch einen Vorhang von dir weggeschoben wurde. Die durchsichtigen Plastikstreifen flatterten über meine Arme. Ich stemmte mich hoch, wollte dich nicht aus den Augen lassen. Du legtest dir die Hand auf den Mund, schobst die Finger auseinander und hast etwas zu mir herübergeblasen. Es sah aus wie ein Kuss. Aber einen Augenblick lang sah ich den Sand in der Luft schweben, bevor er herunterfiel.
Dann schloss sich die Tür ganz und andere, kältere Finger berührten mein Gesicht. Wieder wurde eine Maske auf meinen Mund gelegt. Der Plastikriemen kniff mich in die Wangen. Das Atmen fiel mir jetzt wieder leichter. Aber das half nichts. Um mich herum wurde trotzdem alles schwarz.
Ich sank. Alles war kalt und dunkel und sehr weit weg. Verschwommen nahm ich das Surren von Maschinen wahr, ein entferntes Murmeln von Stimmen …
»Wer ist dieses Mädchen überhaupt?«
»Schnell, wir verlieren sie …«
»Bringt sie auf die Intensiv.«
Und dann nichts mehr.
Ein stechender Geruch, irgendwas Chemisches. Feste Laken berührten meine Haut, lagen schwer auf meiner Brust. Kabel klebten an meinen Armen. Irgendwas piepste. Als ich herauszufinden versuchte, was es war, piepste es noch schneller. Mir war kalt. Mein Körper fühlte sich nicht mehr so taub an. Er tat weh. Er war irgendwie leer. Vier schattige Wände
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