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Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Ich wuenschte, ich koennte dich hassen

Titel: Ich wuenschte, ich koennte dich hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Christopher
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ein gewaltiger Haufen Erde in die Höhe.
    »Die Bergbausiedlung«, sagtest du.
    Wieder schobst du mir eine Masse weicher Blätter in den Mund. Sie waren noch bitterer als die zuvor.
    »Kau«, sagtest du. »Bleib wach.«
    Du drehtest dich wieder nach vorne und auf einmal hörte das Auto auf zu ruckeln. Wir hatten eine Sandpiste erreicht. Sie war hart und wurde regelmäßig benutzt. Mein Kopf knallte gegen das Fenster und Staub stieg auf, als du das Gaspedal durchtratst. Ich war den rauen Untergrund inzwischen so sehr gewohnt, dass es mir jetzt vorkam, als würde der Wagen fliegen. Beim Näherkommen sah ich, dass riesige Lastwagen oben auf dem Berg herumfuhren, neben hoch aufragenden Türmen und Rutschen und wuchtigen Raupenfahrzeugen. Am Fuß des Berges gab es noch mehr Gebäude, am Himmel stand weißer Staub. Sonst lag auf allem roter Sand und darin konnte ich noch mehr Farben sehen … Braun und Weiß, Orange und Schwarz in vielen Abstufungen. Steinhaufen türmten sich. Bäume gab es keine.
    Ich kaute auf den Blättern herum, schmeckte ihre bitteren Wirkstoffe. Verzweifelt versuchte ich die Augen offen zu halten und blinzelte unentwegt. Wochenlang hatte ich von diesem Moment geträumt, hatte den Anblick von Leben herbeigesehnt. Doch jetzt wirkte er nicht real. Häuser, Strommasten, Laster und Schutt verschmolzen miteinander, wurden zu verschwommenen roten Schlieren, die hinter den Fenstern herumwirbelten. Alles sah heiß und verbrannt aus.
    Mit durchdrehenden Reifen schlittertest du auf die Häuser zu. Das Tempo, mit dem du um die Kurve fuhrst, ließ mich keuchen. Der Schmerz schoss mir in die Schultern, als hätte ich Stacheldraht unter der Haut. Das Auto donnerte eine Straße hinunter, an der rechts und links kleine, rechteckige Gebäude standen. Häuser? Das Atmen fiel mir immer schwerer. Hier war es noch heißer; die Luft wirkte undurchdringlich und war schwer vom Staub des Bergwerks. Meine Augenlider begannen wieder nach unten zu sinken.
    Du bogst in eine Auffahrt. Dort stand eine Art rechteckige Baracke. Ich stöhnte, als mich ein neuer Schmerzstoß durchzuckte. Ich schloss die Augen und presste mein Gesicht gegen das kühle Fensterglas. Jeder neue Atemzug fiel mir schwerer. Du sprangst aus dem Auto, ohne den Motor abzustellen. Laut schreiend liefst du auf die Baracke zu, doch ich verstand nicht, was du riefst. Auch mein Gehör wurde immer schwächer. Alles um mich herum wirkte langsamer und stiller. Mein Körper schaltete ab, stellte den Betrieb ein. Alles war verschwommen, wie in einem Traum. Nichts war mehr real.
    Ich hörte das Schreien einer andern Stimme. Dann ging die Tür auf, die mich stützte, und ich kippte nach hinten. Deine Arme fingen mich auf. Auf meine Nase und meinen Mund wurde etwas gedrückt, das irgendwie medizinisch roch. Auf einmal konnte ich wieder ein bisschen besser atmen. Du beugtest dich über mich und hobst mich aus dem Wagen. Aber ich spürte dich nicht richtig. Ich merkte nur, dass dein Arm meine Fingerspitzen streifte.
    Du brachtest mich in ein Zimmer. Legtest mich auf einen Tisch. Ein Mann stand über mir. Ich sah ihn, als er meine Augenlider hochzog. Er sagte etwas zu mir. Dann gab er mir eine Spritze. Wie von weit weg spürte ich den kleinen, stechenden Schmerz. Dann legte sich eine Maske über mein Gesicht. Und ich konnte wieder Luft holen.
    Dann fuhren wir sehr schnell. Durchs Fenster sah ich den Himmel, er war blau mit ein paar orangeroten Streifen, die den Sonnenuntergang ankündigten. Schleudernd hieltest du an. Die Tür ging auf. Wieder hobst du mich hoch. Du ranntest, mein Körper baumelte in deinen Armen. Aber ich hatte keine Schmerzen. Von sehr weit weg hörte ich deine Schritte auf dem Asphalt aufschlagen. Da war noch ein anderes Geräusch. Ein rhythmisches Grollen. Das Donnern einer Maschine. Jemand in Weiß wartete auf uns.
    »Name? Alter?« Ich hörte die Stimme einer Frau, auch sie weit entfernt, als käme sie aus einer andern Welt.
    Du hast mich ins Flugzeug getragen, mich auf etwas Weiches gelegt. Dann wolltest du weggehen. Ich streckte die Arme aus und griff nach deiner Hand, umklammerte deine Finger. Ich ließ sie nicht mehr los. Ich wollte nicht allein bei all diesen fremden Leuten bleiben. Ich sah zu dir hoch, fand deinen Blick. Du hast gezögert und kurz nach draußen geschaut, auf den Asphalt und die offene Ebene, auf das rote Land … und dann sahst du wieder mich an. Du nicktest kurz und setztest dich hin. Dann fingst du an, mit mir zu reden. Ich

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