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Idealisten der Hölle

Idealisten der Hölle

Titel: Idealisten der Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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wich aber Arms Blick aus.
    »Nein, Doktor. Es ist nicht notwendig. Wir haben die Sache erledigt.«
    Wendover zog seine Pistole. Er hob sie und stieß sie dem Zwerg ins Gesicht.
    »Gib es mir.«
    Arm wich zurück.
    »Sie sind wahnsinnig, Wendover. Da haben Sie es.«
    Er schob etwas mit dem Fuß über die Erde. Harper stand auf und besah es sich, konnte sich aber keinen Reim darauf machen.
    »Sie brauchen ihren Revolver nicht«, sagte Arm. »Mit dem, was Sie jetzt tun, habe ich nichts zu tun. Aber heulen Sie mir nicht hinterher etwas vor. Tun Sie das ja nicht.«
    »Was ist los?« wollte Harper wissen. Sein vorheriger Eindruck, daß die Welt nun vollkommen verrückt geworden war, weil sie die psychische Anspannung der Katastrophe nicht länger ertragen konnte, kehrte mit Macht zurück. Er fühlte sich zerschlagen und wollte nur weg von diesem Ort. Er dachte, daß es nicht mehr lange dauern konnte, bis die Nonne zu einem Gegenangriff übergehen würde. »Doktor? Arm, warte!«
    Arm hatte sich auf der Ferse umgedreht und verschwand in der Dunkelheit.
    Harper spielte mit dem Ding im Gras herum und hob es auf. Er wandte Harper einen Blick zu, der voll unendlicher Traurigkeit, fast Erstaunen war. Er taumelte zu der Kirchentür und schleuderte das Ding hinein.
    Das Gemäuer bebte, und ein Flammenstoß fauchte aus dem Ostfenster. Ein furchtbarer Schrei erhob sich über der Versammlung. Hitze peitschte in den Friedhof hinaus. Wendover stolperte von der Tür fort, die Hände vors Gesicht geschlagen.
    Selbst die Dachluken des Glockenturms waren von Flammen erfüllt. Das Feuer verbreitete sich mit rasender Geschwindigkeit. Die Balken fingen Feuer, das Dach stürzte ein. Der Doktor wimmerte und seufzte.
    Sein Gesicht verdunkelte Harpers Sichtfeld. Es zuckte haltlos.
    »Wie viele sind da drin?« schrie jemand.
    Harper wurde es wieder übel. Speichel sammelte sich in seinem Mund.
    Schwester Dooley erschien in der Tür, Schleier und Gewand knisterten und brannten. Sie rollte und wälzte sich im Gras zwischen den Gräbern und schlug mit Armen und Beinen um sich.
    Harper sagte: »Alle. Das ganze Dorf ist gekommen. Es war allgemeine Pflicht.« Er ging in die Knie und würgte Galle hoch, aber es reichte nicht aus, ihn zu erleichtern.
    Wendover nickte mehrmals vor sich hin. Er würgte und begann zu weinen und wischte sich mit dem Ärmel seines Regenmantels über die Augen.
    »Gut«, sagte er. »Gut, o mein Gott.«
    Arm wartete auf der Straße auf sie.

 
XIII
DAS PFERD DER MUTANTENKÖNIGIN
     
    Die abschließende Begegnung fand am Morgen statt.
    Wendover hatte eine Rast vorgeschlagen, und die Gruppe drängte sich um ein kleines Feuer auf dem Randstreifen. Hier lag die Autobahn auf einer Ebene mit ihrer Umgebung: Zu ihrer Linken trennten sie zwanzig Meter Gestrüpp von einer Nadelholzpflanzung; zu ihrer Rechten die Weite der gesprungenen, aufgerissenen Straße, hinter der das leere Betongerippe einer Fabrikanlage aufragte.
    Die Ruine strahlte einen machtvollen Hauch der Zerstörung aus, und obwohl der Regen in silbernen Schleiern über die Straße fegte, schob Wendover den Gedanken von sich, Schutz unter den leblosen kubistischen Formen zu suchen. Gras wuchs aus Dehnungsrissen im Zement. Auf einem blauen Hinweisschild von achtzig Fuß Länge stand zu lesen: L IS HO NIX IN. Rostflecke breiteten sich auf seiner Oberfläche aus.
    Niedergeschlagen rückten sie enger zusammen, als Morag ein Kaninchen ausnahm. Arm stocherte mit einem Zweig in den fortgeworfenen Innereien. Regen zischte im Feuer auf. Niemand hatte die Raserei des Arztes erwähnt, und er war dankbar dafür. Nach der Katharsis war er zusammengebrochen, und sie mußten ihn ein Stück tragen, bevor sie ihr Nachtlager aufschlugen. Es hatte keine Verfolgung stattgefunden.
    Er betrachtete die verfallene Vorderfront der Fabrik, die die Farbe von getrocknetem Mist hatte. Er hatte all seine Gegenanschuldigungen auf einen Haufen geworfen und war frei von Schuld auf der anderen Seite herausgekommen, in einer vollkommen freien Zone, in der alles als selbstverständlich hingenommen wurde. Keine Handlung und kein Fehlurteil seinerseits kam dem ersten gleich: eine ganze, sinnlose, besessene Reise auf der Grundlage eines einzigen Aktes von fehlgeleitetem Mitleid zu unternehmen, und dann andere hineinzuziehen in die Erforschung des eigenen Gewissens. Etwas Angeborenes trieb ihn zur Selbstkasteiung: Das Kind war bestenfalls eine Nebensache, die Piraterie der vergangenen Wochen nicht mehr als eine

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