Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
weil jedes Exemplar bis zu einem gewissen Grad einmalig ist.
»Ich will sie nicht«, gibt Fontaine zu.
»Hör zu«, erklärt ihm Clarisse und faltet ihren Dialekt
geschmeidig weg, »ist doch gar keine Frage, dass du die Dinger nimmst. Du nimmst sie, du verhökerst sie, du kriegst satte Kohle dafür, und die gibst du mir. Sonst bleib ich nämlich garantiert nicht da, wo du mich sitzengelassen hast, so dicht an dicht mit diesem verrückten Weibsstück, das du geheiratet hast.«
Mit dem ich verheiratet war, als du mich geheiratet hast, denkt Fontaine, und das war kein Geheimnis. Die Bemerkung bezieht sich auf Tourmaline Fontaine alias Frau Nummer Eins, und das Schimpfwort »verrücktes Weibsstück« ist in Fontaines Augen durchaus eine adäquate Bezeichnung für sie.
Tourmaline ist ein echtes Ungeheuer; nur ihr gewaltiger Leibesumfang und ihre beständige Trägheit hindern sie daran, hierherzukommen.
»Clarisse«, protestiert er, »wenn sie original verpackt wären …«
»Die sind nie original verpackt, du Idiot! Mit denen hat immer jemand gespielt!«
»Dann kennst du den Markt besser als ich, Clarisse. Verkauf du sie doch.«
»Vielleicht sollten wir mal übers Kindergeld sprechen?«
Fontaine schaut auf die japanischen Puppen. »Mann, sind die hässlich. Sehen irgendwie tot aus, nicht?«
»Weil man sie einschalten muss, Blödmann.« Clarisse stellt den Beutel auf den Boden, schnappt sich ein nacktes männliches Baby und steckt einen langen, smaragdgrünen Fingernagel in den Nacken der Puppe. Sie will das andere einmalige, individuelle Merkmal der Puppe vorführen, digital aufgezeichnete Säuglingslaute oder vielleicht sogar erste Worte, aber stattdessen hören sie schweres, mühsames Atmen, gefolgt von kindischem Gekicher und einem gleichermaßen kindischen, scheppernden Chor, der »Fick dich selber« johlt. Clarisse runzelt die Stirn. »Da hat jemand dran rumgepfuscht.«
Fontaine seufzt. »Ich tue, was ich kann. Lass sie hier. Aber versprechen kann ich dir nichts.«
»Ist doch wohl klar, dass ich die hierlasse«, sagt Clarisse und stopft das Baby kopfüber in den Beutel.
Fontaine wirft einen Blick in den hinteren Teil des Ladens, wo der Junge barfuß und im Schneidersitz auf dem Boden hockt. Seine Haare sind ganz kurz, er hat das offene Notebook auf dem Schoß und ist völlig darin vertieft.
»Wer ist das denn?«, erkundigt sich Clarisse, als sie näher an den Tresen herantritt und den Jungen zum ersten Mal bemerkt.
Aber da ist Fontaine einigermaßen überfragt. Er zieht an einer seiner Dreadlocks. »Er mag Armbanduhren«, antwortet er.
»Ha«, sagt Clarisse, »er mag Armbanduhren. Wieso hast du deine eigenen Kinder nicht hier?« Ihre Augen werden schmal, so dass sich die Falten an den äußeren Winkeln vertiefen, die Fontaine auf einmal liebend gern küssen würde. »Wieso hast du stattdessen ’nen fetten kleinen Latino hier, der Uhren mag?«
»Clarisse …«
»Clarisse am Arsch.« Ihre grünen Augen weiten sich wütend, ein Grün, blass wie Treibglas, das DNA-Echo eines britischen Soldaten in einer schwülen Nacht in Kingston vor etlichen Generationen, wie Fontaine oft vermutet hat. »Du verhökerst diese Puppen, oder es gibt Stress, kapiert?«
Sie wirbelt geschickt auf dem Absatz herum, was gar nicht so leicht ist mit ihren schwarzen Galoschen, und marschiert stolz und aufrecht in einem langen Tweed-Männermantel – Fontaine erinnert sich, dass er den vor fünfzehn Jahren in Chicago gekauft hat — aus seinem Laden.
Fontaine seufzt. Er trägt jetzt eine schwere Last auf den Schultern, und der Abend rückt näher. »Ist legal hier, mit zwei Frauen verheiratet zu sein«, sagt er zur leeren, nach Kaffee riechenden Luft. »Total bescheuert , aber legal.« Er
schlurft in seinen offenen Schuhen zur Tür und macht sie zu, schließt hinter ihr ab. »Du glaubst immer noch, ich bin ’n Bigamist oder so, Baby, aber wir sind hier im Staate Nordkalifornien.«
Er geht zurück und schaut noch einmal nach dem Jungen, der das Auktionshaus Christie’s entdeckt zu haben scheint.
Der Junge blickt zu ihm auf. »Tonneau-Armbanduhr mit Minutenrepetition, Platin«, sagt er »Patek Philippe, Genf, Nummer 187145.«
»Glaub nicht«, sagt Fontaine. »Bisschen außerhalb unserer Liga.«
»Goldene Sprungdeckel-Armbanduhr mit Viertelstundenrepetition …«
»Vergiss es.«
»… mit verborgenem erotischem Automaten.«
»Kann ich mir auch nicht leisten«, sagt Fontaine. »Hör zu, ich sag dir was: Dieses Notebook
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