If You Stay – Fuereinander bestimmt
greift nach meiner Hand und versucht, mich in die Höhe zu ziehen.
»Komm schon«, sagt sie. »Wir gehen nach Hause. Du hast ja noch nicht einmal eine Jacke an.«
Auch das ist mir egal. Aber das verrate ich Mila nicht. Ich stehe auf und lasse zu, dass sie mich zum Haus zurückführt, die Treppe hinauf und in die Küche.
»Du bist ja völlig durchgefroren«, sagt sie und wendet sich mir zu. Ihr Gesicht zeigt einen mitfühlenden Ausdruck, als sie rasch ihre Jacke auszieht und über einen Stuhl wirft. »Ich werde dir ein heißes Bad einlassen. Du musst dich aufwärmen.«
Sie verschwindet im Flur, und ich bleibe mit hängenden Schultern stehen.
Es ist alles egal.
Nichts spielt mehr eine Rolle.
Ich weiß jetzt, dass sich hinter dieser Leere, die ich empfunden habe, dieses schreckliche Wissen verborgen hat. Auch wenn es meine Psyche vor mir versteckt hat, habe ich es doch immer gewusst. Es ist der Grund, warum ich mich ständig so leer gefühlt und Zuflucht im Vergessen gesucht habe.
Doch nun ist diese Leere mit einem furchtbaren Schmerz und einem erdrückenden Gefühl der Schuld gefüllt. Und ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll. Es kommt mir so vor, als würde mich etwas nach unten ziehen.
Mila kommt zurück und scheint sich zu wundern, dass ich mich nicht von der Stelle gerührt habe. Sie sieht mich unsicher an. In ihren Augen glänzen Tränen. Aber sie sagt nichts, nimmt nur meine Hand und führt mich ins Badezimmer. Dort zieht sie mir meine Sachen aus und wirft sie zu einem Haufen auf den Boden.
»Steig rein«, fordert sie mich mit fester Stimme auf. »Deine Haut ist knallrot.«
Ich steige gehorsam in die Wanne, obwohl ich seit meiner Kindheit kein Bad mehr genommen habe. Das heiße Wasser sticht wie tausend Nadeln auf meiner Haut, aber das ist mir egal. Ich setze mich, lehne mich zurück, schließe die Augen und blende alles andere aus.
»Pax«, sagt Mila, überlegt es sich dann aber anders. »Schon gut. Ich werde bald nach dir sehen. Ich habe dir das Medikament geholt, aber da du so viel Whiskey getrunken hast, finde ich, dass du es nicht nehmen solltest.«
Ich antworte nicht.
Als ich kurze Zeit später die Augen öffne, ist sie verschwunden. Ich schließe sie wieder.
Das Problem ist, dass ich das Gesicht meiner Mutter vor mir sehe, wenn ich sie schließe.
Ihre Augen sind weit aufgerissen und starren mich an. Die Augen einer Toten. Ich habe ihr das angetan. Ich war das. Dieser Typ wollte sie gar nicht töten. Ich bin gegen seinen Finger am Abzug gestoßen.
Es war meine Schuld.
Der Schmerz droht, mich zu zerreißen, und ich springe auf und schlage mit der Faust gegen die Fliesenwand. Diesen Schmerz spüre ich nicht, denn der Schmerz in meiner Brust ist so viel mächtiger. Ich schnappe mir ein Handtuch, trockne mich ab, schlüpfe in meine Unterhose.
Ich muss etwas tun.
Ich kann so nicht leben.
Mila
W ährend Pax in der Wanne liegt, setze ich das Teewasser auf. Als ich dies tue, brummt sein Handy, das auf der Frühstückstheke liegt. Ich werfe einen Blick darauf und sehe Paul Tates Namen. Ich greife zögernd danach. Soll ich drangehen? Mein Instinkt sagt ja.
»Hallo?« Ganz sicher bin ich mir immer noch nicht.
»Hallo«, erwidert Paul Tate überrascht. »Könnte ich Pax sprechen? Hier ist sein Vater.«
»Einen Augenblick, bitte«, sage ich. Ich würde gern noch viel mehr sagen, tue es aber nicht. Stattdessen laufe ich die Stufen zum Badezimmer hinauf und öffne die Tür, doch zu meinem Erstaunen muss ich feststellen, dass niemand dort ist. Die Badewanne ist immer noch voller Wasser, aber Pax ist verschwunden.
Verdammt.
»Ich weiß gerade nicht, wo er ist«, erkläre ich seinem Vater. »Ich muss ihn suchen.«
Ich mache mich auf den Weg den Flur entlang, doch Pauls Worte lassen mich innehalten.
»Warten Sie«, sagt er. »Wie geht es ihm? Er hat mir auf die Mailbox gesprochen. Er sagte, er wisse, was mit seiner Mutter passiert ist. Anscheinend kann er sich wieder daran erinnern.«
Wut steigt in mir auf. Dieser Mann hat das Ganze seit Jahren vor Pax verborgen gehalten. Und er musste sich bewusst gewesen sein, dass es irgendwann einmal an die Oberfläche kommen würde. War ihm das denn egal? Hatte es ihn nie interessiert, was er Pax damit antat?
»Was glauben Sie wohl, wie es ihm geht?«, entgegne ich kühl. »Nicht gut. Damit würde wohl niemand so leicht fertigwerden.«
Am anderen Ende der Leitung ist ein lautes Seufzen zu hören.
»Ich habe mich immer vor diesem Tag gefürchtet«,
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