Illuminatus 2 - Der goldene Apfel
Mann/mein Chef/meine Kirche/ meine Gemeinde) das gutheißen ? Werden sich die Leute über mich lustig machen ? Werden sie mich lächerlich machen ? Wird die Polizei kommen und mich verhaften ?» Diese schwache Stimme wird von den Freudianern « Das Superego » genannt, wobei Freud selbst auf das lebhafteste als « des Egos strenger Meister » charakterisiert ist. Mit einer etwas funktionaleren Methode beschreiben Perls, Hefferline und Goodman in ihrer Gestalt-Therapie diesen Prozeß als « eine Reihe von konditionierten verbalen Einheiten.» Diese Reihe, die durch alle autoritären Gesellschaften hindurch ziemlich gleich ist, bestimmt die Vorgänge, die sich dort jeweils ereignen oder auch nicht ereignen werden. Betrachten wir die Menschheit einmal als ein Biogramm ( das grundlegende DNS-Schema des menschlichen Organismus und seines Potentials), vereint mit einem Logogramm (jener «Reihe von konditionierten verbalen Einheiten»). Das Biogramm blieb über mehrere hunderttausend Jahre hinweg unverändert; das Logogramm differiert von Gesellschaft zu Gesellschaft. Wenn das Logogramm das Biogramm verstärkt, haben wir eine indeterministische Gesellschaft, wie sie auch heute noch bei verschiedenen amerikanischen Indianerstämmen anzutreffen ist. Wie der Konfuzianismus, bevor er autoritär und starr wurde, basiert die Ethik der Indianer darauf, von Herzen zu sprechen und von Herzen zu handeln — das heißt, vom Biogramm. Keine autoritäre Gesellschaft kann das tolerieren. Autorität stützt sich in ihrer Gesamtheit darauf, Männer und Frauen so zu konditionieren, daß sie vom Logogramm her handeln, denn das Logogramm ist jene Einheit, die von den Machthabenden geschaffen wurde.
Jedes autoritäre Logogramm teilt die Gesellschaft, wie es auch das Individuum teilt, in zwei einander fremde Hälften.
Diejenigen am unteren Ende leiden unter dem, was ich als die Last der Unwissenheit bezeichnen werde. Die natürliche sensorische Aktivität des Biogramms — was eine Person sieht, hört, riecht, schmeckt, fühlt, und vor allem, was der Organismus als ein Ganzes, oder als ein Potential will —ist immer irrelevant und immateriell. Das autoritäre Logogramm, nicht das Feld empfundener Erfahrung, bestimmt, was relevant und was materiell ist. Das gilt für den hochbezahlten Werbetexter ebenso wie für einen Fließbandarbeiter. Der Mensch agiert nicht auf Grund seiner persönlichen Erfahrungen und der Beurteilung seines Nervensystems, sondern er handelt entsprechend den Anweisungen von oben. Da persönliche Erfahrung und persönliches Urteil also nichtoperational sind, werden diese Funktionen mit der Zeit immer weniger « real». Sie existieren dann, wenn überhaupt, nur noch in jenem Phantasieland, das Freud das Unbewußte nennt. Da bisher noch niemand einen Weg gefunden hat, die Existenz des Freudschen Unbewußten zu beweisen, sind Zweifel an der Existenz persönlicher Erfahrung und persönlichen Urteils zulässig; die Annahme, daß sie existieren, wird zu einem Glaubensakt. Der Organismus wurde so, wie Marx sagt, zu «einem Werkzeug, einer Maschine, einem Roboter». Diejenigen an der Spitze der autoritären Pyramide leiden jedoch ebenfalls unter einer ähnlichen, wenn auch entgegengesetzten Last, der Last der Allwissenheit. Alles was der dienenden Klasse untersagt ist - das Netz der Wahrnehmung, Beurteilung und der Teilnahme am sinnlich erfahrenen Universum — wird von der herrschenden Klasse verlangt. Sie müssen versuchen, für die ganze Gesellschaft zu sehen, zu hören, zu riechen, zu schmecken, zu fühlen und Entscheidungen zu treffen. Doch wird einem Mann mit einem Gewehr in der Hand nur gesagt, daß die die Verantwortung tragenden Leute ihn nicht provozieren, den Abzug zu betätigen. Da jede Autorität und jede Regierung auf Macht aufgebaut sind, begegnet die herrschende Klasse mit ihrer Last der Allwissenheit der dienenden Klasse mit ihrer Last der Unwissenheit genauso wie der Straßenräuber seinem Opfer. Kommunikation ist nur unter Gleichen möglich. Die herrschende Klasse abstrahiert nie ausreichend Information über die dienende Klasse, um zu wissen, was eigentlich in der Welt, in der die Produktivität der Gesellschaft abläuft, passiert. Darüber hinaus bleibt das Logogramm einer jeden autoritären Gesellschaft im Laufe der Zeit ziemlich unflexibel, während alles andere im Universum sich ständig verändert. Das Resultat kann nur eine zunehmende Desorientierung bei den Herrschenden sein. Am Ende steht das Debakel.
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