Illusion - das Zeichen der Nacht
gekauft.« Alex hatte den Blick fest auf eine Gondel geheftet, die von einem alten Mann mit gestreiftem T-Shirt gesteuert wurde. »Für dich.«
Jana streckte die Hand aus, aber Alex zog seine zurück.
»Was soll das denn jetzt?«, brauste Jana auf. »Wolltest du ihn mir nicht geben?«
»Noch nicht. Du musst noch ein bisschen warten.«
Alex klemmte den Ring zwischen Daumen und Zeigefinger, hielt ihn sich vor die Lippen und blies leicht hinein. Der Ring verwandelte sich auf magische Weise in einen Vogel, ein Rotkehlchen mit weichem Gefieder, das in Janas Händen Zuflucht suchte.
Das Mädchen musste lachen. »Der hier gefällt mir besser als ein Ring.« Sie streichelte den Vogel sanft mit zwei Fingern. »Der ist ja goldig …«
»Du willst lieber einen Vogel als einen Ring? Bist du sicher?«
Jana nickte überzeugt.
»Ich kann ihn auch in etwas anderes verwandeln, wenn du willst, in einen Kompass, in ein Buch … Ich kann dir schenken, was du dir wünschst.«
»Ich weiß.« Jetzt lächelte Jana nicht mehr. »Wir sind sehr mächtig geworden. Eigentlich viel zu mächtig, finde ich.«
Jana ließ das Rotkehlchen frei, es flog davon und ließ sich dann auf dem Gesims eines nahen Hauses nieder. Alex seufzte theatralisch. Er hielt die Hände übereinander, ohne dass sie sich berührten, bewegte sie im Kreis, als wäre er ein Zauberkünstler, und tatsächlich ließ er einen weiteren Ring auftauchen, ein genaues Ebenbild des ersten. »So verschwenderisch gehst du also mit meinen Geschenken um. Ich sehe schon, da muss ich deutlicher werden …«
Er unterbrach sich, als er merkte, dass Jana ihn ernst ansah.
»Vielleicht sollten wir nicht mit der Magie spielen«, sagte sie, »sondern sie für wichtigere Dinge benutzen. Denk doch mal an alles, was wir tun könnten: Verbrecher entlarven, Kranke heilen, Vermisste auffinden …«
»Das wäre großartig«, gab Alex zu, die Augen verträumt auf ein Vaporetto geheftet, das in diesem Moment unter ihrem Balkon vorbeifuhr. »Aber das geht leider nicht, Jana.«
»Warum denn nicht? Damit würden wir vielen Leuten einen Gefallen tun. Wir würden sie auf den richtigen Weg bringen, würden ihnen helfen, keine Fehler zu machen …«
»Als wären wir Götter.« Alex nahm Janas Hand in beide Hände und sah ihr in die Augen. »Wir sind aber keine Götter, Jana. Wir werden auch nie welche sein. Die Leute haben das Recht, sich frei zu entscheiden, auch wenn sie dabei Fehler machen. Egal, was passiert, wir dürfen nicht mit der Freiheit der anderen spielen. Das wäre nicht richtig.«
Jana nickte. In ihrem Blick lag ein Anflug von Traurigkeit. »Du hast schon recht, Alex, ich weiß nur nicht, ob ich mich an diesen Gedanken gewöhnen kann: so mächtig zu sein, aber nichts mit meiner Macht anfangen zu können. Ich drehe bestimmt durch.«
Alex musste lachen. »Na klar. Das sehe ich auch schon kommen …«
Sachte bog er Janas Hand, die er immer noch hielt, ganz auf und legte ihr den Ring in die offene Handfläche. »Ich bitte dich, ihn anzunehmen. Auch wenn er nicht das ist, was er zu sein scheint.«
Jana errötete leicht. Ihre Finger schlossen sich über dem Ring, öffneten sich aber gleich darauf wieder.
Der Ring war nicht mehr da. An seiner Stelle lag da blau und glitzernd der Sarasvati.
»Ich … ich fasse es nicht«, stammelte sie. Ihre Augen wanderten ungläubig vom Saphir zu Alex und wieder zurück. »Wie hast du das gemacht? Das kann nicht der echte Sarasvati sein!«
»Doch, es ist der echte. Es war alles andere als einfach, ihn wieder zusammenzusetzen, das kann ich dir sagen. Eine Sache ist es, magische Fähigkeiten zu haben, und eine ganz andere zu lernen, damit umzugehen. Ich musste Nieve um Hilfe bitten.«
Jana war blass geworden. »Dabei war ich richtig froh, dass ich ihn los war. Er hat mir nur Probleme gemacht. Und ich war glücklich, dass ich ausgerechnet für dich darauf verzichtet habe.«
»Du musst nicht wegen mir darauf verzichten, Jana. Du sollst wegen mir auf gar nichts verzichten. Genau das wollte ich dir damit sagen.«
Bei den letzten Worten hatte Alex seine Freundin an sich gezogen. Seine Lippen waren ganz nah an ihrem Ohr. »Jetzt ist Schluss mit den Opfern«, flüsterte er und strich ihr mit einem Finger zart über den Hals. »Ich brauche keine mehr. Du musst mir nichts beweisen.«
»Im Ernst? Nie wieder?«
»Nie wieder. Ich glaube an dich, Jana. Ich liebe dich.«
Zart legten seine Lippen sich auf Janas. Sie küssten sich lange. Ein sanftes Kribbeln
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