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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sarkey
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»Spielverderberin.«
    Nachdem sie den Kaffee ausgetrunken hatten, schauten sie bei Julian hinein. Er lag ausgestreckt in seinem Bettchen, die kleinen, dicklichen Arme ausgebreitet, die Haare verstrubbelt. Mit weit geöffneten Augen betrachtete er das Mobile aus schwarz-weißen Formen, das von der Decke baumelte. Als er Anna entdeckte, kicherte, lächelte und furzte er, und sie spürte tausend kleine Nadelstiche in ihrem Herzen.
    »Ja, wer ist denn da aufgewacht?«, piepste Sara in ihrer übertriebenen Babystimme. »Ja, wer ist denn da?« Sie beugte sich herab und nahm ihn hoch, eine Hand unter seinem Kopf. Als sie sich aufrichtete, ächzte sie demonstrativ. »Bist du aber schwer geworden!«
    »Hey du«, flüsterte Anna. Sie streckte ihm einen Finger hin, und sofort griff Julian danach und umschloss ihn mit seinem winzigen Händchen. Da wusste sie: Sie würden es schaffen. Das Geld machte es möglich. Es war wie im Märchen  – eine Wunderlampe, die Wünsche erfüllte. Und sie hatte nur den einen.
    Der Wäscheschrank? Nein, wird viel zu oft benutzt.
    Auf dem alten Kleiderschrank? Die einen halben Zentimeter dicke Staubschicht machte keinen schlechten Eindruck, aber es war nicht genug Platz.
    Annas Handy klingelte. Sie hörte nicht hin. Unterm Bett? Zu riskant.
    Nachdem Sara unter einer Kaskade von Flüchen und letzten Anweisungen aus der Tür gerannt war, hatte Anna Julian zu einem Bäuerchen verholfen und seine Windeln gewechselt. Als sie seinen kleinen Po abwischte und puderte, fing er an zu kreischen, bis sie schließlich eine CD auflegte, Prolonging the Magic von Cake, und mit ihm durch die Wohnung tanzte. Sie ließ ihn im Takt auf und ab hüpfen und sang lauthals mit, dass Schafe in den Himmel und Ziegen in die Hölle kommen. Am Ende kicherte und grinste er mit ihr um die Wette und schüttelte die Fäustchen, als wollte er sie anfeuern.
    »Zehn Monate alt und schon ein echter Rockstar«, sagte Anna. »Du wirst eine Menge Herzen brechen, Kleiner.«
    Irgendwann hatte er genug von ihrem Duett, und sie setzte ihn in sein »Büro«, einen großen Plastikreif mit lauter Spielzeugen und einem Sitz aus strapazierfähigem Leinen in der Mitte. Während Julian schon voller Freude auf dem ganzen bunten Klimbim herumtrommelte, zog Anna den Plastikreif samt Baby in den Flur, damit sie ihn bei der Suche im Auge behalten konnte.
    Das Wohnzimmer bot kaum Möglichkeiten. Eine Garderobe, ein paar Regale mit DVDs, ein Regalbrett mit Büchern. Außerdem kam ihr dieser Raum viel zu exponiert vor. Das Schlafzimmer fühlte sich besser an, es war weiter hinten in der Wohnung und durch eine zusätzliche Tür geschützt. Aber auch hier fand sie keinen guten Platz, keinen Ort, wo sie ausschließen konnte, dass Sara zufällig darüber stolperte.
    Zugegeben, sie hatte ein etwas ungutes Gefühl dabei, die Wohnung ihrer Schwester nach einem Versteck für Diebesgut abzusuchen. Anna hatte ja auch über ein Bankschließfach nachgedacht, aber irgendetwas in ihr hatte nicht gewollt. Zuallererst war es ihr zu riskant: Sicherheitskameras, Wachleute, die Polizei auf Abruf … Außerdem verfügten die Banken bestimmt über Generalschlüssel, mit denen sie sämtliche Schließfächer öffnen konnten. Natürlich war es ziemlich paranoid, gleich zu denken, dass sie ausgerechnet ihr Schließfach überprüfen würden – und trotzdem würde sie ruhiger schlafen, wenn sie ein Versteck gefunden hatte, von dem niemand wusste. Allerdings musste es ein Ort sein, zu dem sie jederzeit Zugang hatte.
    Die Küche besaß Potenzial. Für Sara waren schon Fertignudeln mit Käsesoße eine echte Herausforderung. Einer ihrer Lieblingsscherze war, dass ihr kulinarisches Talent beim Bestellen anfing – und endete. Anna zog den Schrank neben dem Herd auf: voller Schuhe. Im Ofen fand sie zwei große Tüten Toastbrot. Sie kniete sich hin und spähte in einen geräumigen Schrank, in dem eine Bratpfanne, ein Stieltopf und ein großer Nudeltopf standen. Vielleicht konnte sie das Geld ganz hinten reinschieben? Sie lehnte sich vor und tastete nach der Wand. Da war eine Menge Platz, und die Stelle, wo die Theke an die Wand grenzte, lag auch noch im toten Winkel. Das konnte funktionieren. Ächzend wuchtete sie die Sporttasche hinein. Doch die Bündel verschoben sich lieber gegeneinander, statt sich zu bewegen, bis sie sich schließlich mit ihrem ganzen Gewicht dagegenlehnen musste. Es dauerte eine Weile, aber am Ende war die Tasche nicht mehr zu sehen. Sie stellte Pfanne und

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