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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sarkey
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Töpfe zurück an ihren Platz.
    Nicht schlecht. Anna stand auf, betrachtete ihr Werk von allen Seiten und beschloss, es vorerst dabei zu belassen. Mal schauen, wie sie sich im Lauf des Nachmittags damit fühlte. Sie öffnete den Kühlschrank, schnappte sich eine Cola light und ließ die Dose auf dem Weg ins Wohnzimmer zischen. Es war ein wunderschöner Tag, ein Tag irgendwo zwischen Frühling und Sommer. Anna sah aus dem Fenster und versank in den Anblick der Sonnenstrahlen, die über Bäume und Büsche wanderten, um schließlich in den eckigen Nachmittagsschatten zu enden. Auf der Straße war nicht viel los – eine Frau führte ihren Hund aus, aus der Ferne drang das Scheppern einer Baustelle, die Straße runter saßen zwei Männer in einem schwarzen Honda. Als sie hinüberschaute, fuhr das Auto gerade los und bog um die Ecke.
    Hier war das Geld sicher. Falls Sara doch darüber stolperte, würde sie die Tasche wiedererkennen und Anna anrufen. Das wäre kein einfaches Gespräch, aber ihre Schwester würde sie sicherlich verstehen. Und ihr eigenes Haus war endlich sauber.
    Anna setzte sich im Schneidersitz vor Julians »Büro«. Der Kleine drückte immer wieder auf einen roten Knopf, der eine Kuh muhen ließ, und gurgelte jedes Mal freudig, als würde ihn das Geräusch über alle Maßen überraschen. Sie fragte sich, ob ihn das Muhen so verblüffte oder die Tatsache, dass er es ausgelöst hatte. Wahrscheinlich Letzteres. War das nicht das Wunderbare an Babys? Man konnte zusehen, wie sie die Welt entdeckten, und sich dadurch selbst neu entdecken. Die Kleinen waren so hilflos, und gleichzeitig besaßen sie diese unglaubliche Fähigkeit –
    Was zur Hölle tat sie hier eigentlich?
    Sie hatte sich so sehr auf die Suche nach einem Versteck konzentriert, dass sie an nichts anderes mehr gedacht hatte. Aber jetzt, als sie vor Julian kauerte und beobachtete, wie er unablässig auf den Kuh-Knopf patschte, begriff sie plötzlich, was Sache war. War sie wirklich gerade dabei, gestohlenes Geld in der Wohnung ihrer Schwester zu deponieren – Geld, für das bereits Menschen gestorben waren?
    Anna richtete sich wackelig auf. Das Blut schoss ihr in den Kopf, ihr wurde schwindlig. Sie spurtete den Flur hinunter in die Küche, riss den Schrank auf, warf die klappernden Töpfe beiseite und zerrte an dem Gurt, bis die Tasche mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden landete. Nein. Niemals.
    Was sie zu Tom gesagt hatte, glaubte sie noch immer, und zwar jedes einzelne Wort: Die Einbrecher hatten nicht den geringsten Grund, irgendeine Verbindung zwischen ihnen und Bill herzustellen. Das war so unwahrscheinlich, dass sie angesichts der Belohnung gerne bereit war, dieses Risiko einzugehen. Aber nur für sich selbst.
    Wieder klingelte ihr Handy. Da Annas Gedanken noch immer bei der unglaublichen Tat waren, die sie beinahe begangen hatte, nahm sie ab, ohne auf die Nummer zu achten.
     

10
     
    Tom biss in das triefende Sandwich. Wahrscheinlich sollte er wütend sein, aber das Gegenteil war der Fall. Er fühlte sich gut. Besser noch, er fühlte sich großartig. Geradezu beschwingt.
    Dabei sprach eigentlich alles dagegen. Der Vormittag war katastrophal verlaufen – Tom musste beim Chef seines Chefs antanzen. Im Grunde ging es um einen Kleinkrieg zwei Ebenen über ihm, um irgendwelche politischen Konflikte innerhalb des Unternehmens, mit denen er rein gar nichts zu tun hatte. Aber heute musste er als Sündenbock herhalten und unzählige, elendig detaillierte Fragen über das Projekt über sich ergehen lassen, das er seit Monaten leitete. Ein Projekt, bei dem Daniels übrigens jeden einzelnen Schritt abgesegnet hatte. Doch nun hüllte sich sein Boss in eisernes Schweigen, so als wäre er persönlich enttäuscht von Tom.
    All das hätte ihn eigentlich so richtig ankotzen müssen, und das tat es auch, aber seiner guten Laune konnte es trotzdem nichts anhaben. Aus einem simplen Grund: Mitten in der Sitzung hatte Tom begriffen, dass das alles nicht so wichtig war. Wenn er wollte, konnte er allen noch viel Spaß mit ihren Problemchen wünschen, auf seinem iPod die Dropkick Murphys loslegen lassen und mit erhobenen Mittelfingern aus dem Sitzungsraum stolzieren. Seit Jahren hatte er sich dieser naiven Vorstellung nicht mehr hingegeben, seit seiner Anfangszeit im Beruf. Es war ein kindischer Traum, eine Fantasie, die nur jemand hegen konnte, der keinerlei Verantwortung trug.
    Oder jemand, der eine Sporttasche mit dreihunderttausend Dollar im Keller

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