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Im Augenblick der Angst

Im Augenblick der Angst

Titel: Im Augenblick der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sarkey
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Detective Halden hatte Tom erst mal seine Geschäftsklamotten ausgezogen und schnell geduscht. Während er sich den Dreck vom Körper spülte, versuchte er, einen Plan zu formulieren: Wenn Anna von ihrem Nachmittag mit Julian zurückkehrte, würde sie wie immer müde und traurig sein. Toms erster Schachzug wäre also ein gutes Abendessen, am besten an einem ruhigen Ecktisch. Dazu eine Flasche Wein … nein, lieber zwei Flaschen. Dann, wenn Anna besänftigt war von Jakobsmuscheln im Speckmantel und frischen Gelbschwanzmakrelen und betäubt von gutem Alk, würde er ihre Hand nehmen und sagen: »Bitte, hör mir jetzt zu und lass mich ausreden.« Er würde ihr erklären, dass sie von Anfang an falsch gehandelt hätten, dass sie einfach nicht geschaffen waren für so was. Dass sie einen schweren Fehler begangen hatten, und dass sie endlich die Hoffnung aufgeben mussten, das Geld behalten zu können – zumal es ihnen nicht mal gehörte! Tom würde ihr klarmachen, dass sie sich nun voll und ganz aufs Überleben konzentrieren mussten.
    Und dann hatte Anna ihn völlig aus dem Konzept gebracht. Sie trat nicht durch die Tür, nein, sie schwebte herein. Ihre Augen strahlten. Keine Spur von Tränen, nicht mal ein kleiner Schluchzer. Statt ihn wie üblich kurz zu umarmen und flüchtig auf die Wange zu küssen, schlang sie die Arme um seinen Hals und zog ihn an sich. Ihre Lippen öffneten sich, ihre Zunge umspielte seine, ihr Busen drückte sich an seine Brust. Dreißig Sekunden hielt der Kuss an, und am Schluss hatte Tom einen Ständer. Anna lächelte ihm verschwörerisch zu, hauchte ein »Hi« wie einst Marilyn Monroe und presste ihren Unterleib gegen ihn. »Hast du mich vermisst?«
    »Ich vermisse dich immer.«
    Sie lachte und trat einen Schritt zurück. »Aber natürlich! Komm, beweis es mir. Lad mich zum Essen ein.«
    Annas Hochstimmung hatte den ganzen Abend über angehalten. Während sie T-Shirt und Jeans auszog und stattdessen in ein Sommerkleid und Flip Flops mit Silberschnallen schlüpfte, summte sie ununterbrochen vor sich hin. Ihr Haar band sie zu zwei kleinen Pferdeschwänzen links und rechts zurück – ihr »Inga, die Austauschschülerin«-Look, wie sie jedes Mal scherzten. Tom hatte sie lange nicht mehr so glücklich gesehen, so vorbehaltlos im Hier und Jetzt angekommen. Bei dem Gedanken daran, dass er dieses Gefühl in Kürze zerstören würde, kam er sich vor, als müsste er einen Welpen erdrosseln.
    Es war ein milder Abend, so dass sie beschlossen, die drei Kilometer zum Restaurant zu laufen. Anna war kaum zu bremsen: Sie deutete auf jede einzelne Blume, sie lächelte über den Grillgeruch in der Luft, sie erzählte von ihrem Neffen  – wie groß er geworden war, wie er kicherte und gluckste, wenn sie lustige Gesichter zog. Einmal, als sie gerade an einer Reihe gepflegter Bungalows vorbeikamen, blickte sie ihn von der Seite an. »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Was?«
    »Du bist so still.«
    »Bin nur ein bisschen müde.«
    Anna nahm seine Erklärung kommentarlos hin und redete weiter über Julian, dann über den schönen Sommerabend und schließlich über ihre Reisepläne für den Unabhängigkeitstag, während Tom neben ihr herging und sich für seine Lüge hasste. Aber er würde es ihr gleich nach dem Bestellen sagen, das schwor er sich.
    Doch dann kamen gleich die ersten Martinis, kurz darauf weitere Aperitifs und eine kleine Flasche Sake, zusammen mit der ersten Sushi-Platte. Danach noch eine Flasche Sake und noch eine Runde Sushi. Tom verschleuderte das Geld, als ob ein zusätzliches Tellerchen Onigiri alles wettmachen könnte – den Verlust des Geldes, das Ende ihrer Träume.
    Jetzt lagen nur noch ein paar Streifen roter Ingwer auf dem Bambusbrettchen, und er versuchte krampfhaft, sich einzureden, dass sie unbedingt noch ein Dessert bestellen mussten. Vielleicht ein Sorbet oder einen Käseteller? Anna war so wunderschön im Kerzenlicht, ihre Gesichtszüge so weich, ihre Augen so glänzend.
    Tu es. Du musst es tun.
    Tom konnte kaum glauben, dass ihr nicht aufgefallen war, wie ruhig er die ganze Zeit gewesen war. Nach dieser einen Frage hatte sie nicht weiter nachgebohrt, sondern selbst den ganzen Abend über geredet – aber nicht aus Rücksichtslosigkeit, sondern aus purer Freude. Als hätten sie sich einen Monat lang nicht gesehen, statt nur einen einzigen Nachmittag.
    Die Kellnerin kam vorbei und füllte ihre Tassen aus der Karaffe auf, erst Annas, dann seine. »Vielleicht ein kleines

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