Im Bann der Leidenschaften
du meine Verwirrung ausgenutzt? Um deine niederen Instinkte zu befriedigen?“
Jerôme versucht, seine Arme um mich zu legen, doch ich schlage nach ihm. Meine Krücken poltern zu Boden. Ich strauchele, doch im letzten Moment, bevor auch ich zu Boden gehe, fange ich mich.
„Fass mich nicht an“, fauche ich. „Geh mir aus den Augen!“
In dem Moment springt Jerôme mit einer panthergleichen Bewegung vor, schlingt seine Arme um mich und legt seine Lippen auf meine, küsst mich wie ein Ertrinkender. Im ersten Augenblick bin ich wie erstarrt, doch dann treten mir die Tränen in die Augen, rinnen über meine Wangen, lassen mich in einem Meer vor Kummer versinken.
Behutsam hebt Jerôme mich auf die Kochinsel, schlingt die Arme um meine Taille, legt seinen Kopf in meinen Schoß.
„Du hast nur halb recht“, sagt er rau. „Als ich dir zu Chanel folgte, was es so. Doch als ich dir zum ersten Mal in die Augen sah, habe ich mich in dich verliebt. Und nach unserer Begegnung im Barone war mir klar, dass wir zwei füreinander geschaffen sind. Annie, du musst es doch auch spüren!“
„Und jetzt willst du mich ficken, oder was?“, schluchze ich auf. Am liebsten würde ich von der Kochinsel herunterspringen und davonlaufen, doch mir ist klar, dass das mit meinem Fuß unmöglich ist.
„Annie, bitte …“ Er hebt den Kopf, seine Augen bohren sich wie zwei Pfeile in meine.
Mit einem Mal spüre ich das Verlangen. Siedend heiß ist es in mir drin. Es stimmt, was Jerôme sagt. Wir sind füreinander geschaffen. Zumindest in sexueller Hinsicht.
Kapitel 22
Die Queen Mary 2 fräst sich durch die Eisschollen. Dick eingemummt stehe ich auf dem obersten Deck. Eintausendfünfhundert Seemeilen liegen hinter mir, dieselbe Anzahl an Meilen habe ich noch vor mir, bis der Oceanliner in New York vor Anker geht. Ich habe genug Geld dabei, um mir eine Woche lang New York anzusehen. Dann fahre ich mit dem Greyhound Bus nach Philadelphia. Dort werden mich Jane und Mary-Beth abholen und zum Hotel meiner Eltern bringen. Das ist hoffentlich genug Zeit, um mir über meine Wünsche, meine Gefühle und meine Zukunft klar zu werden.
Soweit mein Plan.
Ich schließe meine Augen. Die glatte, cremeweiße Oberfläche schmilzt unter dem sanften Druck meiner Zunge. Das ist der perfekte Moment, um zuzustoßen. Tausend und abertausend Male habe ich diesen Akt schon wiederholt. Doch er ist immer wieder genauso himmlisch wie beim ersten Mal. Meine Zunge durchstößt die dünne Schicht aus weißer Schokolade und taucht ein in die köstliche weiße Schaummasse. Dorthinein schleckert sie ein süßes Loch, in dem die Zunge langsam kreist. Bis nur noch eine dünne Außenhaut sie umgibt. Ich weiß, dass das bescheuert klingt. Aber wenn man den letzten Sex vor fünf Tagen hatte, mit dem besten Freund des Ehemannes, auf der Kochinsel in der Küche des Ehemannes, braucht man eine Ersatzbefriedigung. Mein Ersatz für den Sex und den Rest, den ich brauche, sind Küsse. Mini-Schoko-Küsse. Vorzugsweise die Weißen.
- ENDE -
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