Im Bann des blauen Feuers
hervor, als er das albtraumhafte Wesen nun ebenfalls entdeckte.
Céleste bekam kein Wort heraus. Sie sah das Ding an – und es war, als würde sich in ihrem Kopf ein Schalter umlegen und ihr bewusstes Denken ausschalten.
4. KAPITEL
„Verdammter Mist!“
Wütend trat Ash nach einer leeren Bierdose, die mitten im Weg lag. Er war gerade noch rechtzeitig gekommen, um Céleste und dem Typen, der sie von zu Hause abgeholt hatte, bis in die Innenstadt zu folgen. Doch dann hatte er sie irgendwo in dem Gewirr aus Hinterhöfen und winzigen Gassen verloren.
Was war bloß mit ihm los? Begannen die Schwächen der Menschen, unter denen er gezwungenermaßen leben musste, bereits auf ihn abzufärben?
Ashael der Jäger.
Einst war sein Name mit Ehrfurcht ausgesprochen worden. Doch heute …
„Komm schon, reiß dich zusammen“, murmelte er. „Nütze das wenige an Fähigkeiten, das sie dir gelassen haben, und finde sie! Finde Céleste!“
Er schloss die Augen und streckte seine mentalen Fühler nach ihr aus. Dass offenbar eine Verbindung zwischen ihnen bestand, konnte er nicht leugnen. Céleste hatte sich einfach in seine Erinnerungen eingeklinkt, ohne dass er sie davon hätte abhalten können. Es war eine höchst unangenehme Erfahrung gewesen. Nun, vielleicht nicht wirklich unangenehm. Eher ungewohnt. Und irgendwie irritierend.
Noch nie war ein Mensch ihm so nah gekommen. Und die Verbindung war in beiden Richtungen offen gewesen. Er hatte den Schmerz des kleinen Mädchens gefühlt, das die Nähe seiner Eltern vermisste, ohne zu wissen, dass es sie niemals wiedersehen würde. Und später die Verzweiflung und den hilflosen Zorn, den es empfand, weil die Menschen, bei denen es aufwuchs, ihm nicht die Zuwendung und Liebe schenkten, nach denen es sich sehnte. Doch da war noch etwas anderes gewesen. Etwas Dunkles. Pulsierendes. Verborgen im hintersten Winkel von Célestes Bewusstsein.
Stirnrunzelnd schob er den Gedanken beiseite. Damit würde er sich später befassen.
Ihm war nicht klar gewesen, dass Menschen über eine so große Bandbreite von Gefühlen verfügten – und er hatte es auch nicht wissen wollen. Die erste Grundregel eines Jägers lautete, sich niemals auf eine emotionale Bindung mit dem Gejagten einzulassen. Genau so hatte Ash es auch stets gehalten.
War er deshalb für diese Aufgabe ausgewählt worden? Wollte man ihm den Spiegel vorhalten? Oder ging es nur darum, ihn zu verhöhnen?
All dies trug die Handschrift von Hemon, seinem ältesten Feind.
Ihm hatte er es zu verdanken, dass er unter den Menschen leben musste. Jenen Wesen, für die er sein ganzes Leben lang nur Spott und Verachtung übriggehabt hatte. Menschen logen, betrogen und töteten einander. Sie führten Kriege und beuteten gedankenlos und egoistisch die Welt aus, in der sie lebten. Was konnte man für eine solche Rasse anderes empfinden als Abscheu?
Er wusste, dass viele von seinesgleichen genauso dachten wie er. Doch nur wenige wagten es, ihre Meinung auch auszusprechen. Eine solche Einstellung war dort, wo er herkam, nicht gerade gern gesehen.
Denn er, Ashael, war einst ein Angelus gewesen – oder, wie die Menschen sie nannten, ein Engel.
Er hatte zu den Seraphim gehört, jenen Engeln, die Gott am nächsten standen. Er war sein Schwert gewesen, hatte seinen Willen getan und in seinem Namen gestraft.
Und nun war er hier, kaum mehr als ein lächerlicher Schatten seiner selbst. Auf ewig verbannt aus dem Elysium, jenem paradiesischen Ort, an dem die Angeli lebten. Und das hatte er nur Hemon zu verdanken – einem Cherub, der sich als Vermittler zwischen Gott und den Menschen verstand.
Nur zu gut konnte Ash sich an die Farce von einem Tribunal erinnern, dessen Ergebnis seine Verbannung gewesen war. Anstatt anklagend mit dem Finger auf ihn zu deuten, hatte dieser selbstgerechte Mistkerl die ganze Zeit über milde gelächelt und ihm das Reden überlassen. Erst am Ende von Ashs langem Monolog über die Notwendigkeit seiner Aufgabe hatte Hemon schließlich das Wort ergriffen. Und was er gesagt hatte, klang Ash noch heute in den Ohren.
„Ich bin davon überzeugt, dass wir uns alle der Wichtigkeit dessen, was Ashael tut, absolut bewusst sind. Selbst der gütigste Vater muss seine Kinder, um sie wieder auf den rechten Weg zurückzubringen, bestrafen – jedoch um des Lernens, nicht um des Strafens willen.“ Ab diesem Moment hatte Ash gewusst, worauf das Ganze hinauslaufen würde, doch ihm war nichts anderes übrig geblieben, als es sich
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