Im Dunkel der Schuld
Augenblick klar: Sie wollte nicht, dass er sie je wieder loslieÃ. Sie wollte, dass er bei ihr blieb, egal wie eng. Sie wollte gar nicht mehr mit allen Mitteln unabhängig und autark sein.
Automatisch machte er einen Schritt zur Seite, um ihr wie üblich Platz zu geben, und blickte sie überrascht an, als sie nachrückte.
»Ich muss dir später etwas Wichtiges sagen«, raunte sie ihm zu; mehr Zeit war nicht, weil sich Frau Wieland mit Michael Maurer im Schlepptau winkend zu ihnen durchwühlte. Ein gebrechlicher alter Mann auf Krücken folgte ihr, dahinter ein grauhaariger, bärtiger Hüne mit runder Brille, dem man die Liebe zur badischen Küche ansah, und eine sympathische, sportliche, brünette Frau mittleren Alters mit offenem Gesicht.
Frau Wieland machte eine umfassende Handbewegung. »Darf ich vorstellen? Mein Onkel, für den ich mich habe hierher versetzen lassen, mein Chef, Kriminalrat Gottlieb, und Lea Weidenbach vom Badischen Morgen. Danke für die Einladung. Es ist fantastisch. Ehrlich gesagt würde ich die Bilder nicht verstehen, wenn Herr Maurer nicht so nett gewesen wäre, mich in die Geheimnisse der Malerei einzuweihen.« Dabei berührte sie wie zufällig seinen Arm, eine Sekunde zu lang.
»Wann beginnt eigentlich der Prozess, Frau Wieland?«, mischte sich Jörg ein. »Das Gericht hat Ebba immer noch nicht Bescheid gegeben, ob und wann die Verhandlung stattfindet. Das ist doch ein Unding.«
»Für Zeugen ist das in der Tat manchmal unbefriedigend.«
»Zeugen? Opfer!«
Ihr Chef unterbrach die Diskussion. »In dem Prozess sind Sie Zeugin, Frau Seidel. Vielleicht überlegen Sie es sich doch noch und treten als Nebenklägerin auf. Das würde für Sie vieles vereinfachen. Aber um die Frage zu beantworten: Ich habe gehört, dass die Staatsanwaltschaft nach den Sommerferien Anklage erheben wird. Vierfacher Mord, plus ein versuchter. Der Kerl kommt nie mehr raus.«
Patricia Wieland wandte sich an Jörg. »Dank Ihnen, Herr Benkhofer, haben wir wenigstens den fünften Mord verhindern können. Respekt, wie hartnäckig Sie bei der Versicherung nachgeforscht haben, die damals für die Schadenregulierung des Unfalls zuständig war.«
»Ich habe Ihnen zu danken, dass Sie mir verraten haben, wie die Versicherung hieÃ. Es war dann trotzdem noch ein hartes Stück Arbeit, bis die endlich die Namen der schwerverletzten Unfallgegner rausrückten. Und selbst da hätte ich fast aufgegeben. Ich hatte den Namen Flemming erwartet, nicht Leissmann.«
»Ich verstehe kein Wort«, mischte sich Michael Maurer ein. »Flemming? Wer ist das jetzt wieder?«
»Der Tatverdächtige hat einen falschen Namen benutzt. Fast wäre er damit durchgekommen, wenn Herr Benkhofer nicht so beharrlich gewesen wäre«, erklärte Patricia Wieland.
Jörg winkte ab. »Routine. Ich konnte herausfinden, dass Kurt Leissmann nach dem Unfall im Koma gelegen hatte und erst ein Jahr später gestorben war. Am 26. März 1996. Na, bei dem Datum musste ich doch hellhörig werden. So lag es nahe, sein Grab aufzusuchen. Als ich neben seinem Namen auch den seiner Frau, beziehungsweise deren Mädchennamen, Flemming, gelesen habe, wurde mir schlagartig klar, dass Ebba in Lebensgefahr schwebte. Es war leicht, über den Namen Leissmann das Institut Abendruh herauszufinden, und ich bin fast verrückt geworden, als ich dort klingelte und Thomas öffnete und die Tür wieder zuknallte. Wie gut, dass ich Frau Wieland gleich erreichen konnte. Es war allerdings nicht leicht, die Polizei zu überzeugen, dass sie eingreifen musste, und dann dauerte es ja noch eine halbe Ewigkeit, bis endlich der Durchsuchungsbeschluss erwirkt war.«
Frau Wieland hüstelte. »Ihre Geschichte klang verdammt abenteuerlich. In allen drei Todesfällen der Familie Seidel war gründlich ermittelt worden. Warum sollten wir nach Elisabetha Seidel suchen, nur weil sie sich vielleicht mit ihrem neuen Freund ein schönes Wochenende machte? Es hat geholfen, dass Sie schon vorher mit mir über Ihren Verdacht gesprochen hatten und dass wir dank Ihrer Nachforschungen endlich ein Motiv entdecken konnten, das sich wie ein roter Faden durch alle Fälle zog, inklusive dem Tod des Gärtners.«
Michael Maurer stand der Mund offen. »Dem Kerl waren vier perfekte Morde gelungen?«
»Perfekte Morde gibt es nicht«, entgegnete Patricia
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