Im Dunkeln der Tod
Karin. »Das geht doch wirklich zu weit!«
»Man fragt sich ja schon, ob es überhaupt noch einen Sinn hat, Pressekonferenzen abzuhalten«, sagte Wittberg. »Die scheinen die Journalisten doch nur anzustacheln.«
»Wir waren vielleicht zu schnell«, gab Knutas zu.
Blöderweise hatte er sich von Norrbys Argument überzeugen lassen, dass eine Pressekonferenz die Journalisten zufriedenstellen und der Polizei größere Arbeitsruhe geben würde. Aber das Ergebnis schien das genaue Gegenteil zu sein.
Er spürte, wie seine Verärgerung wuchs. Im Hintergrund machten sich hartnäckige Kopfschmerzen bemerkbar.
»Die Zeit vergeht, wir müssen anfangen, über das Wesentliche zu reden«, sagte er und setzte sich an seinen festen Platz an der Querseite des Tisches.
Alle nahmen Platz, und die Besprechung konnte beginnen.
»Wir können jetzt ganz sicher sein, dass es Mord ist. Ich habe die ersten Ergebnisse des Gerichtsmediziners, der Sohlman darin zustimmt, dass die Verletzungen eine deutliche Sprache sprechen. Der Leichnam wird heute Abend mit der Fähre aufs Festland gebracht und von dort in die Gerichtsmedizin geschafft. Morgen bekommen wir dann hoffentlich einen vorläufigen Obduktionsbericht. Egon Wallin hatte einige seltsame Verletzungen im Gesicht, für die wir gern eine Erklärung hätten. Aus Rücksicht auf die Familie warten wir noch mit der Durchsuchung von Wohnhaus und Galerie. Ich hatte übrigens vorhin ein interessantes Gespräch mit einer der Angestellten, einer gewissen Eva Blom. Sie hat erzählt, dass in der Galerie eine Skulptur fehlt. Und zwar eine kleine Skulptur aus gotländischem Kalkstein. Sie heißt ›Sehnsucht‹ und stammt von der Bildhauerin Anna Petrus. Offenbar ist es ein kleineres Modell einer Skulptur, die im Garten von Muramaris steht. Ihr wisst doch, dieses Künstlerhaus gleich bei Krusmyntagården.«
»Wann ist sie verschwunden?«
»Am Samstag. Eva Blom sagt, dass die Skulptur noch an ihrem Platz stand, als die Vernissage um eins eröffnet wurde. Sie kann sich ganz besonders gut daran erinnern, weil sie eine Runde gedreht hat, um sich davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung war.«
»Wann hat die Galerie zugemacht?«
»Einige Besucher waren noch bis sieben oder acht dort. Dann gingen Egon Wallin, seine Frau, der Künstler und die Angestellten zum Essen im Donners Brunn. Sie schlossen die Galerie ab und schalteten wie üblich die Alarmanlage ein.«
»Ist sie sich da sicher?«
»Hundertprozentig.«
»Das bedeutet, dass die Skulptur während der Vernissage verschwunden ist?«
»Sieht so aus.«
»Ist sie wertvoll?«
»Nein, sie ist offenbar ziemlich klein, und das Material ist ja nicht sonderlich exklusiv. Die Künstlerin ist relativ unbekannt, also meint Eva Blom, sie kann nicht gestohlen worden sein, weil der Dieb sie verkaufen und damit Geld verdienen will.«
»Warum dann aber sonst?«
Die Frage blieb unbeantwortet.
SEINE AUGEN BRANNTEN vor Müdigkeit, und Knutas sah ein, dass er bald nach Hause gehen musste. Doch erst musste er eine Weile allein in seinem Zimmer sitzen, um seine Gedanken zu sammeln. Um alle Eindrücke und Tatsachen zu sortieren.
Er ließ sich in seinen alten, abgenutzten Sessel mit dem weichen Ledersitz sinken. Den hatte er anderthalb Jahre zuvor nach einer umfassenden Renovierung behalten, als auch die Möbel ersetzt worden waren. Er hatte ihn während seiner ganzen Zeit bei der Kriminalpolizei in seinem Büro gehabt und wollte sich einfach nicht davon trennen. So viele Fälle hatte er darin aufgeklärt. Er konnte sich damit drehen und ein wenig damit schaukeln, und das erleichterte den freien Flug der Gedanken.
Die Arbeit war so intensiv gewesen, seit am Morgen Egon Wallins Leiche gefunden worden war, dass er das Wirrwarr in seinem Kopf nur mit Mühe in den Griff bekam.
Ihn schauderte, als er an den Anblick dachte, der sich ihm in der Dalmansport geboten hatte. Dieser sympathische Mann. Was war bloß los auf Gotland? Die Gewaltverbrechen waren in den vergangenen Jahren markant angestiegen, nicht zuletzt die Anzahl der Morde. Andererseits war das im ganzen Land so. Er dachte an die Zeit, als ein Kioskeinbruch Schlagzeilen geliefert hatte. Jetzt brachte er kaum noch eine Notiz ein. Das gesellschaftliche Klima wurde an allen Fronten rauer.
Er nahm seine Pfeife aus der obersten Schreibtischschublade und fing an, sie sorgfältig zu stopfen. Dann ließ er sich in seinem Sessel zurücksinken und steckte sie unangezündet in den Mund.
Dass der Künstler und
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