Im eigenen Schatten
alle Berge.«
Die Männer der Sturmtruppen hatten am Morgen des Vortags ihr Quartier in Eraclea Mare penibel gereinigt, desinfiziert und frei von Fingerabdrücken dem Mieter übergeben. Sie waren gut vorbereitet und verständigten sich über Mobiltelefone mit rumänischen SIM-Cards. Während des Aufenthalts hatten sie die Koordination der einzelnen Aktionen abgestimmt und das nötige Arbeitsgerät besorgt.
Tomaž, der Tom gerufen wurde und aus der slowenischen Kleinstadt Novo Mesto stammte, ein wegen Diebstahl vom Dienst suspendierter Polizist, der sein Geld zuletzt als Rauswerfer in einem Bordell neben dem Casino von Nova Gorica verdiente, hatte vergangene Nacht die Fluchtfahrzeuge besorgt. Unverdächtige, bejahrte Mittelklasseautos, die er mithilfe von Beppe, einem Hilfsarbeiter in einer Stuhlfabrik im Friaul, und Val, Hafenarbeiter aus Koper, jenseits der Grenze gestohlen und schließlich vor einem Einkaufszentrum abgestellt hatte. Es würde dauern, bis die Fahrzeuge in den internationalen Datenbanken auftauchten. Auf dem gleichen Parkplatz würden sie auch die beiden Kleinbusse zurücklassen, nachdem sie die Folien mit dem Schriftzug der Baufirma abgezogen und den Innenraum penibel gereinigt hatten.
Renzo, der aus Bari stammte, musste zusammen mit den Brüdern Jo und Naz, zwei stämmigen Kerlen aus Franzensfeste in Südtirol, die beiden Lkw auftreiben. Sie hatten mehr als die Hälfte ihres Dienstes in der gleichen Alpini-Division geleistet, der ältesten Gebirgsjägertruppe der Welt. Auf die krumme Bahn waren sie schon während der Militärzeit geraten, als sie Waffen, Sprengstoff und technisches Gerät aus den Kasernen hinausschmuggelten. Sie setzten sie später bei skrupellosen Überfällen auf Geldboten und betuchte Kaufleute ein, in deren Villen sie nachts trotz eingeschalteter Alarmanlagen eindrangen und mit Waffengewalt brutal die Öffnung der Safes erzwangen, bevor sie die Flucht mit den Limousinen der Opfer antraten. Aus dem Rückspiegel beobachteten sie die Detonation der Handgranaten im Innenraum, und einen Kilometer später stiegen sie in ein anderes Auto um.
Der Sattelschlepper, mit dem das Begleitfahrzeug ausgeschaltet wurde, war leicht aufzutreiben gewesen. Eine Stunde vor dem Einsatz. Schwieriger war, den beladenen MAN-Vierachser mit offenem Muldenauflieger zu finden, doch nach langer Fahrt über die Landstraßen hatte Jo sogar die Wahl zwischen einem Kieslaster gehabt, den er am Ufer des Tagliamento ausmachte, und dem Lkw voller Stahlschrott, dessen bulgarischer Fahrer am Rande eines Autobahnparkplatzes ein Nickerchen machte, das er, geknebelt und gefesselt, noch einige Stunden in einem Gebüsch fortsetzen sollte.
Den Scania-Sattelzug, in den der Werttransporter verfrachtet wurde, hatte hingegen der Erzengel schon vor Tagen in einer Scheune des Gehöfts bei Pampaluna untergestellt, und den Raupenbagger hatte er am frühen Morgen nur ein paar hundert Meter über die brachliegende Baustelle bewegen müssen. Alles war perfekt eingefädelt.
Einstein hatte ihnen wiederholt eingeschärft, dass keiner der Männer der Sturmtruppen eine Waffe trug. Nicht einmal Alexandrù, der ehemalige Securitate-Mann aus Pitești, der in Rumänien für dreihundert Euro monatlich am Renault-Fließband gestanden hatte, wo er Sitze in die Billigmodelle Dacia Logan und Sandero montierte. Auch nicht Ante, der kroatische Schweißer aus einer staatlichen Werft bei Rijeka, Enver, ein Bauarbeiter aus dem Kosovo mit UÇK-Vergangenheit, Pek, der serbische Bäcker, und Bob, der aufgrund eines EU-Gesetzes zur Reduzierung der Fangflotten arbeitslose Fischer aus Ancona. Sie mussten während der Flucht die Ware im Werttransporter umpacken, nachdem die Sicherheitsleute überwältigt und ruhiggestellt waren.
Alle Mitglieder der Sturmtruppen trugen einheitliche blaue Arbeitsoveralls, Sturmhauben und Handschuhe, die sie nach dem Einsatz verbrennen sollten. Und noch in Eraclea Mare hatte der Direktor jedem Einzelnen die erste Hälfte seiner Gage in bar ausbezahlt. Sein Aktenkoffer war prallvoll mit gebrauchten Geldscheinen gewesen. Was die Übergabe des Rests des vereinbarten Betrags betraf, so würden sie per SMS verständigt, sobald alle in Sicherheit waren.
10 Uhr 21. Renzo zuckte nicht einmal mit der Wimper, als er den Sattelschlepper aus der Kolonne zog. Er konnte den Wagen nicht verfehlen. Im Rückspiegel sah er, wie das Begleitfahrzeug vom Auflieger gegen die Leitplanke gequetscht wurde und Karosserieteile davonflogen.
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