Im falschen Film 1
duzte.
„48.“
„Und wir sind verheiratet?“
Er lachte. Nicht unsympathisch. Selbstbewusst. Stark.
„Du stehst auf ältere Männer!“
Er grinste frech. Ich schaute ihn unsicher an. Dann wieder die Frau im Spiegel. Sie war nicht auf der Höhe, das sah man ihr an – mit dem Druckpflaster auf der Stirn, ihren dunklen Wischmopp-Haaren und ohne Make-up. Weiche Züge, scharfe, dunkle Augen, eine ansehnliche Figur – das war trotz des Leibchens erkennbar. Ein wenig zu geduckt wirkte der Körper. Ich streckte den Rücken durch. Es kostete Mühen, die Muskeln schmerzten, aber es sah besser aus. Doch, so übel war die Frau nicht. War sie nicht in der Lage, etwas Besseres zu finden als diesen merkwürdigen Kerl, der sein Auto suchte?
„Wie heißt du?“
„Christian. Freut mich, dich kennenzulernen.“
Er verbeugte sich galant. Ich musste kurz schmunzeln. Hatte ich ihn vielleicht wegen seines Humors geheiratet? Ich mochte Humor. Da war ich mir sicher. Wenigstens etwas, bei dem ich mir sicher war. Plötzlich fühlte ich mich unfassbar erschöpft. Ich schlich zurück zu meinem Bett. Christian folgte mit meinem Tropf. Während ich mich hinlegte, fragte ich: „Was ist passiert?“
„Du meinst … der Unfall?“
Ich nickte. Er half mir beim Zudecken, berührte mich am Arm. Ich zuckte zusammen. Es war mir definitiv zu nah.
„Du bist über die Bergmannstraße gelaufen, hast ein Auto nicht gesehen oder die Fahrerin hat dich nicht gesehen. Keiner weiß es so genau. Auf jeden Fall: Bang! Sie hat dich umgesäbelt, Kopf auf die Motorhaube. Hast verdammtes Glück gehabt, dass du nur ein paar Kratzer abbekommen hast.“
Ich schaute ihn ungläubig an. Verdammtes Glück?
„Was ist mit der Fahrerin passiert?“
Er wurde etwas ernster, wiegte den Kopf hin und her.
„Ist in den Gegenverkehr gefahren. Müllwagen. Der hat sie überhaupt nicht gesehen! Ihr kleiner Flitzer hat ordentlich was abbekommen.“
„Was ist mit ihr?“
„Mh, weiß nicht genau. Sie liegt oben auf ’nem Einzelzimmer. Privatpatientin.“
Es klang verächtlich, wie er das sagte. Dabei hätte ich nichts gegen ein Einzelzimmer gehabt. Ein Einzelzimmer nur mit mir, meinem Mann und meinen Kindern.
„Und … und ihr Mann?“
Endlich konnte ich nach ihm fragen. Mir war mittlerweile klar, dass die Frage komisch klingen musste, aber das Bild von ihm und den Kindern hatte mich keine Sekunde losgelassen.
„Was soll mit dem sein? Der war vorhin hier und wollte hören, wie’s dir geht.“
„Kennen wir ihn? Also kennen wir die Leute?“
Christian schüttelte den Kopf.
„Hab’ die noch nie gesehen. Irgendwelche Neureichen. Keine Ahnung.“
Er zuckte die Schultern und fügte hinzu:
„Wohnen aber auch hier.“
„Hier?“
„In Kreuzberg. Berlin! Du weißt nicht mal, dass wir in Berlin sind? Fuck!“
Er schüttelte wieder den Kopf. Berlin. Ich kannte Berlin. Ich wusste, wie Berlin aussieht. Ich wusste sogar, wie die Bergmannstraße aussieht, von der er geredet hatte. Aber ich sah mich nicht in dieser Straße. Wie passte das alles zusammen?
„Das ist nicht ungewöhnlich“, erklärte mir wenig später die junge Ärztin, nachdem sie mich untersucht und mir einige Fragen gestellt hatte. „Wir haben unterschiedliche Bereiche für Erinnerungen in unserem Gehirn. Es gibt ein Basisgedächtnis, mit dem Sie zum Beispiel Eis Kälte zuordnen können. Es gibt das prozedurale Gedächtnis, durch das Sie Zähne putzen und Fahrrad fahren können. Dann gibt es das semantische Gedächtnis, durch das Sie sich an unsere Bundeskanzlerin und auch den Stadtplan von Berlin erinnern. Und … es gibt das autobiografische Gedächtnis, das tatsächlich mehr im vorderen Bereich Ihres Gehirns sitzt.“
Sie deutete auf das Pflaster auf meiner Stirn.
„Dort liegen Ihre persönlichen Erinnerungen.“
„Aber die sind jetzt nicht weg?“
„Nein, davon gehe ich nicht aus. In der Regel kommt die Erinnerung nach und nach zurück.“
„Und wenn nicht?“
„Das passiert nur SEHR selten!“
Sie lächelte verbindlich.
„Kann man da nicht was mit Hypnose machen oder so?“, fragte Christian.
Er hörte zwar die ganze Zeit zu, hatte dabei aber sein Handy in der Hand, auf dem er immer wieder irgendwelche Nachrichten beantworten musste.
„Das wäre zumindest nicht meine erste Wahl.“
Die Ärztin lächelte ihm reserviert zu.
„Erzählen Sie ihr von Ihrem Leben, zeigen Sie ihr Fotos. Das wird helfen!“
Er nickte verstehend.
Das erste Foto, das er mir auf seinem
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