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Im falschen Film 1

Im falschen Film 1

Titel: Im falschen Film 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Mansini
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wollte ich ihn erst einmal weiter benutzen. Als ich Frau Pohl dann erläuterte, dass ich seit meinem Aufwachen keinerlei Erinnerung an irgendetwas hatte, schaute sie mich überrascht an.
    „Sie erinnern sich an gar nichts? Das kann ich mir nicht vorstellen!“
    „Es ist aber so!“
    „Nie und nimmer!“
    „Doch. Wirklich!“
    „Nee!“
    Es wurde ein wenig absurd. Ich wusste doch, was ich nicht wusste.
    „Meinen Sie, ich täusche das vor?“
    „Hat es schon gegeben“, sagte sie schulterzuckend.
    Sie war mir doch nicht so sympathisch.
    „Und was sollte mir das bringen?“
    „Ja, ich weiß auch nicht. Gibt’s das nicht nur in Filmen?“
    Sie schaute mich unsicher an. Mir erschien es in dem Moment sehr ungerecht, dass ich mit diesem überaus ernstzunehmendem Problem nicht ernst genommen wurde. Aber es sollte nicht das letzte Mal sein, dass mir das passierte. Man sah mir halt nicht an, dass mir etwas fehlte.
    „Ich weiß nicht einmal, ob ich Kinder habe. Waren hier welche zu Besuch?“
    Frau Pohl schaute mich nun noch skeptischer an.
    „Sie wissen nicht, ob Sie Kinder haben? Aber jetzt mal wirklich: Das kann doch nicht sein.“
    „Es ist aber so!“
    „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das vergisst. So eine Geburt, das ist doch …“
    Sie schüttelte den Kopf. Ich wurde wieder sehr müde.
    „Sieht man das nicht auch?“, fuhr sie vorsichtig fort. „Unten rum?“
    Gut, mit Frau Pohl kam ich nicht weiter. Also versuchte ich mir anhand der Klamotten in meinem Schrank selbst einen Reim darauf zu machen, was für ein Mensch ich war. Da es aber nicht einmal eine Handtasche gab oder irgendetwas Persönlicheres als einen Stapel frischer (langweiliger) Unterwäsche, lernte ich allenfalls, dass ich einen wirklich miesen Modegeschmack hatte. Und ja, ich guckte im Bad auch „unten rum“ bei mir, was allerdings nicht zu hilfreichen Erkenntnissen führte. Wie soll es denn da aussehen nach einer Geburt? Vor allem wenn man keinen Vergleich dazu hat, wie es vorher aussah? Mein Gefühl sagte mir nach wie vor, dass ich Kinder haben musste. Zumindest war ich mir sicher, dass ich welche wollte. Aber wenn ja, wo waren sie? Und was sagte das über mich als Mutter aus, dass ich mich nicht an sie erinnern konnte?
    Ich war in der nun folgenden schlaflosen Nacht irgendwann so verzweifelt, dass ich mir inständig wünschte, auf keinen Fall Kinder zu haben, wenn ich mich nicht an sie erinnern konnte. Gleichzeitig verbrachte ich Stunden damit, in meinem Kopf nach einem Fetzen, einem Lichtblick, einem Gedanken, nach irgendetwas zu suchen, das mit mir persönlich und der Zeit zu tun hatte, bevor ich an diesem Tag die Augen geöffnet hatte. Ich dachte so stark nach, dass ich Kopfschmerzen bekam und irgendwann in einen traumlosen Schlaf fiel – nicht einmal in meinen Träumen konnte ich Trost finden.

5
    Keine Kinder. Es war natürlich die erste Frage, die ich Christian gestellt hatte, als er am nächsten Morgen endlich ins Krankenhaus gekommen war – das Handy noch am Ohr.
    „Warum?“, fragte ich ihn.
    „Wir wollen keine.“
    „Ich wollte keine?“, hakte ich ungläubig nach.
    „Ja, und ich auch nicht. … Also, genau genommen: Ich hab’ ja ’ne Tochter. Von früher.“
    Ich staunte ihn an.
    „Paula. Sechzehn. Lebt bei meiner Ex-Frau. Also … Du kannst dich noch immer nicht erinnern? An gar nix? Krass!“
    Er seufzte missmutig.
    „Wie lange dauert das denn noch?“, wollte er wissen.
    „Ich weiß es nicht“, sagte ich ziemlich gereizt.
    Es begann die große Reise in die Vergangenheit. In meine Vergangenheit. Christian hatte zwar nicht allzu viel Zeit, denn er musste ja drehen und nachher wieder mit dem Bus zum Drehort, der Arme. Aber er beantwortete mir eine Menge Fragen. Immer mit einem halben Blick auf sein Handy. Bekam er wirklich so viele wichtige Nachrichten?
    Ich erfuhr also, dass ich keine Kinder hatte oder wollte. Dafür lebten aber meine Eltern noch. Meine Mutter lebte in Lüneburg, wo ich übrigens geboren wurde. Sie war allerdings zur Zeit auf einer Kreuzfahrt, was mich zwar für sie freute, aber das Gefühl, verlassen zu sein, nicht gerade reduzierte. Mein Vater spielte wohl keine besondere Rolle in meinem Leben, zumindest konnte mir Christian nicht viel zu ihm sagen. Nach einer Ausbildung als Fotografin war ich vor ein paar Jahren nach Berlin gekommen. Ich hatte dann Fotografie studiert, bei irgendeinem Filmdreh als Statistin mitgewirkt und dort Christian kennengelernt. Er hatte mich bei späteren

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