im Geisterschloss
später standen beide staunend im Inneren.
Wie schön musste das alles hier einmal gewesen sein! Verblasste Deckengemälde, Wandmalereien und gewaltige, noch immer ein wenig funkelnde Kronleuchter ließen das ahnen.
„Weiter“, wisperte Nanni. Auf Zehenspitzen schlichen beide in den nächsten Raum.
Neugierig blickten sie sich um. Nun standen sie in einem großen Saal, der sich von der Vorderfront bis zur Gartenseite erstreckte; durch die Fenster der rechten Wand schimmerte das Grün der Bäume. Aber die Glasscheiben zur Rückseite des Schlosses waren wirklich so verstaubt und verschmutzt, wie Ernas Mann es geschildert hatte.
„Hubers müssen jetzt im Schlossgarten sein“, überlegte Hanni. „Vielleicht ist eine Tür auf der anderen Seite auch nicht abgeschlossen. Dann brauchen wir nur durch den Saal und schon wären wir draußen und könnten sie überraschen!“
Hanni fand an der gegenüberliegenden Seite des Saales tatsächlich eine Fenstertür, die sogar nur angelehnt war. Sie blickten durch den Spalt.
„Da kommen die beiden!“, berichtete sie der Schwester. „Es sieht so aus, als hätten sie uns noch nicht vermisst. Na, Erna wird Augen machen.“
Noch einmal blickten sich die Mädchen um. Ihre Tritte waren auf dem verstaubten Parkett deutlich zu erkennen.
„Sieh mal“, sagte Nanni, „dort sind noch andere Fußspuren! Sie führen hier von der Tür zu dem Wandschrank dort hinten. Wollen wir nachsehen, was drin ist?“
„Jetzt nicht. Hubers sind gleich da. Wir kommen ja wieder her.“
Draußen wurden ihre Namen gerufen. „Hanni, Nanni, wo steckt ihr bloß? Meldet euch doch!“ Ernas Stimme klang besorgt. „Klaus, wir kehren um und suchen sie“, rief sie ihrem Mann zu.
„Hallo!“ Hanni und Nanni traten vor die Tür und taten sehr erstaunt.
„Wir haben gedacht, wir könnten den Weg abkürzen, und sind quer durchs Schloss gegangen!“, behauptete Hanni.
„Das sieht euch ähnlich!“ Erna schüttelte den Kopf. Aber dann lachte sie. „Wartet nur! Mich so zu erschrecken!“
„Wollt ihr nicht auch mal schnell ins Schloss hineinschauen?“, fragte Nanni.
Herr Huber wollte – aber Erna blieb lieber draußen im Sonnenschein.
„Merkwürdig, dass hier so wenig Spuren zu finden sind“, sagte Herr Huber. „Man sollte doch meinen, dass die Festteilnehmer von vorgestern auch im Schloss waren.“
„Aber hier ist jemand entlanggegangen und hat sich drüben am Wandschrank zu schaffen gemacht!“ Nanni deutete auf den Abdruck eines großen Fußes auf dem staubigen Parkett. Sie gingen alle drei hinüber. Merkwürdig – der Schrank war abgesperrt. Und noch seltsamer: Das Schloss war neu – hässlich übrigens, es passte gar nicht zu dem schönen alten Möbelstück.
„Das sieht fast so aus, als hätte sich dort jemand ein heimliches Versteck eingerichtet“, murmelte der Wachtmeister.
„Sein Polizistengehirn läuft auf vollen Touren“, sagte Hanni halblaut zur Schwester.
Herr Huber drohte ihr mit dem Finger, gab aber zu: „Du hast recht. Ich würde zu gern wissen, warum dieses neue Schrankschloss angebracht wurde – und von wem ...“
„Halt dich da heraus“, riet Erna, als die drei ihr später von der Beobachtung im Saal berichteten. „Ich weiß, dein Herz klopft schneller bei dem Gedanken, dass hinter der verschlossenen Schranktür vielleicht Diebesgut lagert, Broschen und Ketten oder wertvolle Bilder ...“
„... oder Falschgeld“, ergänzte Hanni.
Herr Huber drehte sich zu ihr um. „Wie kommst du da drauf?“
„Och ... ich dachte bloß dran, was Mechthild erzählte ...“
„Ich auch“, entfuhr es dem Wachtmeister. Aber gleich darauf lachte er und sagte: „Erna hat schon recht: Manchmal spinne ich.“
„Jetzt geht‘s zum alten Kunze!“, rief Hanni.
Sie folgten einem schmalen, gewundenen Weg. Die Buchsbaumhecken mussten in früherer Zeit bestimmt immer sorgfältig geschnitten worden sein. Jetzt war alles verwildert. Und auf den Wegen wuchs Gras und Unkraut. Durch die dichten Büsche erblickten die vier das Gemäuer der Eremitage erst, als sie fast schon davorstanden. Die Stufen hinauf waren nur noch Trümmer. Die Fenster hatte man mit Latten zugenagelt. Eine Haustür gab es nicht.
Aber der Hund war zur Stelle: Er sauste plötzlich um die Ecke, bellte und japste wie verrückt.
Herr Huber hatte das vermutet und war vorangegangen, den Spazierstock fest in der Hand.
Trotzdem schrien Erna und die Zwillinge erschrocken auf. „Kusch, Tyras!“, rief Herr Huber
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