Im Glanz Der Sonne Zaurak
sei denn, sie wollten sich der Gefahr aussetzen, von Leanders Werfer ausgelöscht zu werden. Ein umnachteter Verstand ist unberechenbar.
„Lassen Sie den Kopf nicht hängen!“ tröstet ihn Askart warmherzig. „Leander ist noch nicht verloren. Wenn die Untersuchungen von Sandies und Ekalla ausreichen, um daraus auf das Verhalten des verdammten Lanzetts zu schließen, besteht noch die Möglichkeit, daß die Mikroorganismen von selbst absterben. Leander darf sich nur nicht neu infizieren…“ Dann wird sein Ton wieder scharf und schneidend. „Doktor Pinn! Suchen Sie sich Leute aus, die rund um die Uhr die anderen drei Infizierten bewachen! Die Männer sollen sich bewaffnen. Wenn Sie es für nötig erachten, halten Sie die Patienten mit Tranquilizern in Schach! Es darf keine Panne mehr geben!“
Kurz darauf meldet sich Ahab aus seiner Kabine. Seine Stimme klingt brüchig, aber gefaßt. Das erstemal redet er den Chefnavigator mit dessen Vornamen an. „Marius. Ich habe noch einmal in der Dienstvorschrift nachgesehen, um mich zu vergewissern: Die Umstände berechtigen mich, von meiner Funktion als Kommandant der Leviathan zurückzutreten und das Kommando für den Rest des Fluges Ihnen zu übertragen. Sie werden es mir nicht verübeln, daß ich von dieser Klausel Gebrauch mache.“ Und nach einer Pause fährt er fort, Askarts Protest zuvorkommend: „Ich fühle mich nicht mehr in der Lage, einen Raumkreuzer zu führen…“
Marius Askart ringt mit sich. Ob das gut ist für den Kapitän, tatenlos, mit in den Schoß gelegten Händen während des Rückflugs in seiner Kabine zu hocken? Andererseits ist Arnold ein Mann, der weiß, was er sagt. Er haßt Übertreibungen. Also muß es wahr sein, daß er sich außerstande fühlt, weiter die Last der Verantwortung zu tragen.
„Sie sagen, Sie fühlen sich nicht in der Lage dazu, Kapitän. Das muß nicht heißen, daß Sie auch tatsächlich nicht in der Lage sind, die Leviathan zu kommandieren!“
Ahabs Miene verhärtet sich und wird abweisend. „Schluß damit! Sie übernehmen die Leviathan und bringen sie bis zur Erde! Das ist mein letzter Befehl! Ab!“
„Zu Befehl, Kapitän!“ antwortet Askart fest.
Inzwischen haben die Männer der Besatzung begonnen, alles für den unmittelbar bevorstehenden Abflug vorzubereiten. Draußen, neben dem massigen Rumpf des Raumkreuzers, sind vier Antiplasmageschütze aufgebaut worden. Drohend ragen die von Fokussierungsmagneten umgebenen Läufe in den Himmel. Die Augen der Wachposten sind zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen. Unablässig suchen sie zwischen den blaßgrünen Wolken nach einem silbrig glänzenden Punkt, der sich unerwartet auf sie stürzen kann wie ein Adler.
Der Zentralcomputer ist Tag und Nacht mit einer Wache besetzt, einem Mann, der blitzschnell reagieren und entsche i den muß, wenn der Gleiter auftaucht. Der das erkennen, instinktiv erfassen muß, wozu das Elektronengehirn außersta n de ist: Handelt es sich um einen Angriff?
Das Ziel erfassen ist Angelegenheit der Technik – die Ve r antwortung jedoch nimmt die Elektronik den Menschen nicht ab.
Jeder von ihnen hofft, daß es nicht soweit kommt. Aber wenn er dort irgendwo auftaucht, stumm und böse, dann werden sie den Befehl befolgen, der strikt lautet: Schießen…
Dichte Wolkenbänke hängen schwer und düster am Himmel des Planeten Goran . Wie wuchernder, schmutziggrüner Schimmel drängen sie sich zusammen und verdunkeln die Sonne Zaurak zu einer leuchtenden Scheibe, die nur dann und wann strahlend aufblitzt, wenn die Wolkendecke aufreißt.
Unter den Händen spürt Leander das weiche, haarfeine Gras, das überall wie Pelz die Pflanzen, den Boden und die mächt i gen Stämme der Baumriesen bedeckt. Er liegt mit geschloss e nen Augen auf dem Rücken, die Finger in die dichten Büschel gekrallt, und versucht angestrengt, sich zu erinnern.
Munter zwitschernde Ariels hüpfen um ihn herum, lassen sich zirpend auf seiner Brust nieder, flattern neugierig pfeifend über seinem Kopf. Alles ist ihm fremd, unheimlich, er fühlt sich leer und ausgehöhlt. Die quälende Angst hat ihn gezwu n gen, die Augen zu schließen. Es ist nur ein Traum, ein böser Alptraum! hämmert es in seinem Gehirn. Dann überwindet er sich und öffnet die Augen einen Spalt breit.
Eine fremde Welt umgibt ihn. Büsche aus ineinander ve r schlungenen und verknoteten Schlangenleibern, wie Koralle n stöcke anmutend, in denen es träge pulsiert und schwingt. Diese spitzmäuligen
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