Im Herzen der Zorn (German Edition)
der Flucht Gegenstände um. Es herrschte totales Chaos.
»Lass mich!«, knurrte Drea, als Ems Hände sie an der Schulter packten. Kaum hatte sie Drea berührt, spürte Em eine enorme Kraft zwischen sich und ihrer Freundin anschwellen. Drea krallte sich in ihre Arme, versuchte Em wegzuschieben. »Em! Wehr dich nicht!«, rief sie und wandte sich wieder dem Benzin zu, das sie gerade auf den Turnhallenboden goss.
Aber Em machte noch einen Satz nach vorn, wild entschlossen, sich Drea in den Weg zu stellen und sie zu packen. Sie mussten fliehen! Während sie miteinander rangen, versuchte Drea, Em einen Schlag mit dem Ellbogen zu versetzen. Em hielt sie am Arm fest und schubste sie beiseite. Der Stoß war viel kräftiger, als Em erwartet hatte – er schleuderte Drea geradewegs durch die Luft. Em fiel nach vorn, hustete und Drea knallte zurück auf den Boden und schlug mit dem Kopf gegen den Rand eines der Spiegel, die an der Tanzfläche standen.
Und dann bewegte Drea sich nicht mehr, bis auf ein Blinzeln, einen einzigen Wimpernschlag. An ihrem Haaransatz bildete sich ein kleines Rinnsal aus Blut, das eine zittrige Spur entlang ihres ausgeprägten Wangenknochens zog.
»Drea!«, schrie Em. »Nein!«
Sie kroch über zerbrochenes Glas, hustete, als ihr Rauch in Lunge, Hals und Augen geriet. Sie konnte kaum etwas sehen, aber sie schaffte es bis zu Drea, die langsam den Mund öffnete und anfing zu sprechen, so konzentriert, als versuchte sie, die Kommandos von ihrem Hirn an ihren Körper zu übersetzen. »Em. Du … verwandelst dich …« Ihr Murmeln verstummte.
Em blickte an sich herunter – an ihrem schmutzigen Kleid, ihrer gespenstisch wirkenden Haut, ihren zitternden Händen und Beinen. Das Schwindelgefühl und der Rauch überwältigten sie langsam. Was war passiert? Was war aus ihr geworden? Inzwischen leerte sich die Turnhalle – die Leute mussten einen Weg hinaus gefunden haben, denn die Schreie und das Rufen waren jetzt weiter entfernt.
Der Rauch wirbelte immer noch – um sie, in ihr. Sie konnte nicht anders, als mit ihm zu tanzen, sich mit ihm zu wiegen, ihm benommen zu erliegen. Dann wurde alles schwarz.
Em ritt auf einem Pferd.
Nein. Das stimmte nicht. Es kam ihr vor, als ritte sie auf einem Pferd. Auf und ab, auf und ab, auf und ab. Sie drehte erschöpft den Kopf und erkannte den Pfefferminzgeruch eines sauberen weißen Hemdes.
Sie blickte auf. Ein stoppeliges Kinn, ein spitzer Adamsapfel, kurze zerzauste Haare. JD. Sie lag in JDs Armen. Er trug sie aus der Turnhalle, während über ihnen Funken von der Decke regneten. Überall um sie herum wahnsinnige Hitze.
Die Schüler mussten die Eingangstür irgendwie aufbekommen haben, sonst wäre sie kaputt gewesen, denn so brachte JD sie nach draußen – durch die Flügeltür, bis auf den kalten Parkplatz.
Ihre Lunge fühlte sich an, als wäre sie mit Asche überzogen. Sie hörte Sirenengeheul im Hintergrund und den Klang von splitterndem Glas. Sie sog hektische, tiefe Atemzüge ein, versuchte, sich zu konzentrieren.
Dann stürzte alles wieder auf sie ein – der Stromausfall, das Feuer. Drea.
»Nein! Drea!« Em wand sich in JDs Armen. »Wir müssen sie holen!« JD lief weiter. Hielt sie fester.
»Das ganze Gebäude brennt!«, rief er. »Sie räumen gerade die Turnhalle.«
»Aber sie ist noch da drin!« Em war zu schwach, um sich zu wehren.
»Ich sag ihnen Bescheid. Die Feuerwehr ist da«, antwortete er und legte sie sanft ab. »Alles wird gut.« Das Entsetzen stand ihm jedoch ins Gesicht geschrieben.
Mit kreischenden Bremsen kamen Feuerwehrautos auf dem Parkplatz zum Stehen und Feuerwehrleute rannten in Richtung Schule, riefen einander etwas zu. Der ganze Platz war in blinkendem Blaulicht gebadet.
Em sah, dass die Flammen bis zum Himmel reichten. Inzwischen mussten die Wände in Brand stehen. Die Tribünen. Alles. Feuerwehrmänner stürmten ins Gebäude. Beeilung. Beeilung .
Die Schüler hatten sich auf dem Parkplatz versammelt, zitternd und seltsam fasziniert von dem Schauspiel vor ihren Augen, ohne zu wissen, ob alle unversehrt herausgekommen waren. Freunde fanden einander und weinten vor Erleichterung. Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes sah Em Gabby zusammen mit Lauren, Sean, Andy und den anderen stehen und hektisch um sich blicken. Auf der Suche nach Em, keine Frage.
»JD, wir müssen da rüber …« Sie wollte auf Gabby zeigen, wurde aber durch eine plötzliche atmosphärische Änderung abgelenkt. Sie konnte es spüren.
Und dann:
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