Im Herzen der Zorn (German Edition)
»Es gibt nach!« Sie hörte es einen der Feuerwehrmänner rufen und dann riefen es plötzlich alle. »Es gibt nach!«
Em zog JD am Ärmel. »Was gibt nach? Was ist los?«
Er schüttelte den Kopf.
»Da ist noch ein Mädchen drin!«, schrie Em hysterisch, ein Schluchzen in der Kehle. Doch in der ganzen Aufregung beachtete oder hörte sie keiner. Außer JD.
»Schschsch«, beruhigte er sie. »Schsch … Sie tun, was sie können.« Sie bemerkte kaum, dass er seinen Blazer auszog und ihn ihr um die nackten Schultern legte. Und dann ließ er seine Hand da liegen, auf ihren Schulterblättern.
So standen sie da, als die Turnhalle einstürzte.
Mit einem gigantischen, erhabenen Stöhnen fiel das Dach in sich zusammen. Die vom Feuer angegriffenen Wände klappten nach innen und ließen es Steine und Putz in die brennende Turnhalle regnen. Schreie zerrissen die Nacht und Em brauchte einen Augenblick, bis sie begriff, dass sie selbst lauter schrie als alle anderen.
Als der Polizist sie zum Rettungswagen führte, stammelte sie unkontrolliert vor sich hin. »Ich … ich weiß nicht, was passiert ist. Drea hat Feuer gelegt. Ich wusste nicht, was passiert, und dann bin ich aufgewacht und sie lag da und …« Sie brach in Schluchzen aus. Sie konnte nicht aufhören zu zittern.
Zwei Sanitäter halfen ihr in den Rettungswagen. Sie brachten sie ins Krankenhaus. Irgendwas mit Rauchvergiftung und Schock.
»Sie … sie hat versucht, mich umzubringen«, stammelte Em.
»Schschsch. Alles wird gut«, beruhigte JD sie. »Ich komme ins Krankenhaus. Bis gleich. Ich hab verstanden.«
Alles, was sie denken konnte, war: Drea hat versucht, mich umzubringen. Und jetzt ist Drea tot .
Die Tränen brannten wie Feuer und ihr ganzer Körper schmerzte. Ihre Freundin war tot, das einzige Opfer der Katastrophe, von der die Nachrichten als »ein erneuter Hilfeschrei eines Jugendlichen in Not« berichten würden. Nur wenige Stunden später war Em zu Hause in ihrem Zimmer, unfähig zu schlafen, unfähig, sich zu bewegen, das Gesicht in ein Kissen gepresst, das von ihren Tränen durchnässt war.
Man hatte sie aus dem Krankenhaus in die Obhut ihrer Eltern entlassen – wie durch ein Wunder, meinten die Ärzte, hatte sie fast keine Verletzungen erlitten. Weder der Rauch hatte nennenswerten Schaden angerichtet noch hatte sie eine Prellung oder Schramme abbekommen. Trotzdem hatte es ewig gedauert, bis ihre Eltern aufgehört hatten, einen riesen Wirbel um sie zu machen, weitere Untersuchungen zu verlangen, nach Schmerzmitteln zu fragen, »nur für alle Fälle«, das volle Programm.
Aber auch wenn man ihre Wunden auf keinem Röntgenbild sah, Em wusste, dass sie da waren. Drea, JD, Gabby, Skylar, das Feuer … Wie nackte Füße auf heißem Asphalt schickten diese Gedanken Schmerzstöße durch ihren Körper. Sie machte sich Vorwürfe. Wenn sie und Drea ehrlich gewesen wären, was ihre Beweggründe und Pläne anbetraf, wenn sie einen gemeinsamen Nenner gefunden hätten, dann wäre der Abend ganz anders verlaufen. Drea hatte nur versucht, ihr zu helfen. Sie zu retten. Und Em hatte es nicht geschafft, Drea zu retten.
Anstatt zu schlafen, wie ihre Eltern es nebenan taten, hatte Em es sich in einem weiten T-Shirt und mit ihrem Tagebuch gemütlich gemacht. Sie erstarrte, als sie zu einer Seite kam, auf der sie Tys Worte von vor ein paar Tagen markiert hatte: Wir sind gar nicht so verschieden, du und ich.
Klopf klopf klopf. Ein Geräusch an ihrem Zimmerfenster ließ Em auf die Beine springen. Das war Ty. Oder Ali. Oder Meg. Der Abend hatte keine Lösung gebracht. Em wusste jetzt, dass ihr Kampf noch lange nicht vorbei war.
Aber nein. Es war nur Crow. Er musste sich auf das Verandadach hinaufgezogen haben und bis zu ihrem Zimmerfenster geklettert sein. Einen Moment lang überkam sie Angst, die jedoch rasch von Erleichterung abgelöst wurde. Crow mochte ja ein bisschen verrückt sein, aber irgendwie vertraute Em ihm.
Er machte ihr hektische Zeichen, ihn hereinzulassen, und sie tat es. Als sie das Fenster öffnete, drang ein Stoß kalter Luft herein und sie roch Rauch – ob vom Wind mitgetragen oder an Crows Kleidern, konnte sie nicht sagen. In seinen Augen lag einmal nicht dieser abwesende Blick, den er sonst häufig hatte. Sie musterten Em eingehend. Er sah wirklich mitgenommen aus – bleich und durchgefroren, nichts als ein Flanellhemd über dem grauen T-Shirt. Seine schwarzen Stiefel waren voller Asche und sein Gesicht war ganz verschmiert, als wäre er sich
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