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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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dünner schwarzer Streifen herüber – das Polarkabel. Es umgab den Kometenkern von Pol zu Pol und traf rechtwinklig auf das Äquatorialkabel, von dem es aus Sicherheitsgründen jedoch durch mehrere Meter Höhendifferenz getrennt war. Diese Kabel erleichterten die Bewegungen an der Oberfläche ungemein: man hängte sich ein, zündete die Impulsdüsen des Manövriergeräts und sauste über die Oberfläche hin, ohne Kurskorrekturen machen zu müssen. Dennoch machte Carl selten Gebrauch von dieser Erleichterung. Er erhob sich gern über die öde Eisfläche und schwebte in der Schwärze über allem.
    Unter ihm krabbelten die Maschinen, die er zu beaufsichtigen hatte, über die langsam rotierende, kartoffelförmige Eiswelt. Er tippte Anweisungen in die Konsole seiner Arbeitskapsel, murmelte mechanisch Kodenummern und beobachtete, wie die entfernten Maschinen ihre Last – einen riesigen orangefarbenen Zylinder – handhabten. Seine glatte Oberfläche reflektierte hartes Sonnenlicht.
    »Kanal D an Osborn. Wirklich hübsch, nicht?« sagte Jeffers, der unten bei der Schachtöffnung stand.
    »Na, ich weiß nicht…«
    Scheußliche Farbe, dachte er. Und das ist die innere Schachtverkleidung. Mehr als siebzig Jahre lang werden wir uns das ansehen müssen.
    Seine behandschuhten Finger schwebten über der Tastatur. Die Maschinen gingen tiefer, drehten und hoben den Zylinder zur Schachtöffnung, wie er es ihnen befahl. Der Kern des Halleyschen Kometen rotierte alle 9,6 Stunden um seine Achse, gerade schnell genug, um bei der Annäherung des Zylinders Nachjustierungen notwendig zu machen. Außerdem herrschte ein dünner Nebel von Ausgasungen, der auf diese Distanz – 8,3 Kilometer, wie sein Entfernungsmesser sagte – die Umrisse verschwimmen ließ und den Gebrauch seines automatischen Ausrichtungsprogramms erschwerte.
    Für den Fall eines Versagens hatte er eine Direktverbindung mit der Edmund Halley. Das war theoretisch gut, aber bis er jemanden an der Leitung hätte, könnten die Maschinen in ihrem Pflichteifer versuchen, die Zylinder in einen Eishügel zu stopfen. Trotz Virginias unwandelbaren Glaubens konnten Computer eben nicht alles. Und von da an, wo sie ihre Grenze erreichten, mußte man die Dinge selbst im Auge behalten.
    »Langsam hereinbringen!« sagte er laut ins Helmmikrophon.
    »Sieht ein bißchen verschoben aus. Zwei Grad zu stark nach Norden geneigt«, antwortete Jeffers.
    Carl spähte hinab, sah, daß Jeffers recht hatte. »Verdammt!« Er gab die Korrekturen ein.
    »Alles klar bei dir?« fragte Jeffers.
    »Ja. Laß die Leuchtfeuer weitermachen!«
    Die vier Laserstrahlen, angeordnet um die Schachtöffnung, machten eine genaue Ausrichtung erst möglich, und Carl steuerte die Maschinen mit ihrer Hilfe in die richtige Position. Noch eine Ausgleichsdrehung, die sein Rechner billigte. Gut. Aber nun gingen sie tiefer, die unregelmäßige Eisoberfläche kam rasch näher, und…
    Die Schwerkraft! Er hatte die verdammte Schwerkraft vergessen! Der Kern des Halleyschen Kometen hatte nur ein Zehntausendstel der Erdanziehung, aber während des halbstündigen Fährmanövers von der Sonnensegel-Frachtsonde herab zur Oberfläche hatte sich eine erhebliche Fallgeschwindigkeit aufgebaut, langsam aber gleichmäßig… er tastete eine Korrektur und sah die Gleichungen über den Kontrollschirm der Arbeitskapsel flimmern.
    Lampen glühten rot auf. »Ich bremse«, sagte er ins Funksprechgerät und zündete die Bremsdüsen der Maschinen. Es war ein anhaltender, schwacher Gegendruck, nur ein Bruchteil der gegenwirkenden Kraft, aber er sah, daß das Manöver ausreichte, die Röhre wieder in die markierte Position zu bringen. Er hatte noch Zeit.
    Auf die Schwerkraft konnte er ohnedies verzichten. Er hatte schon an der Expedition zum Kometen Encke teilgenommen und wochenlang am felsigen Kometenkern gearbeitet. Es war wie jede Arbeit im Weltraum gewesen, manchmal beinahe wie ein Tanz, sicher und reibungslos, und in entscheidenden Augenblicken viel Schweiß und Kraftaufwand. Immerhin war es im Grunde einfach, wenn man darauf achtete, daß die Vektoren stimmten, nicht anderswo als im Masseschwerpunkt anstieß, gleichmäßig arbeitete und einen kühlen Kopf bewahrte.
    Aber Encke war ein Zwerg. Eine alte Dörrpflaume von einem Kometen, ausgekocht von ihrem langen Aufenthalt im inneren Sonnensystem. Halley hatte viel mehr Masse, überwiegend Eis. An der Oberfläche bemerkte man die geringe Zugkraft kaum, doch war es angenehm, daß die Schwerkraft

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