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Im Herzen des Kometen

Im Herzen des Kometen

Titel: Im Herzen des Kometen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford , David Brin
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stärker war als die Zentrifugalkraft der Rotation. Es verhinderte, daß ungesicherte Gegenstände davonflogen. Aber bei Manövern wie diesem, wenn man sich Zeit nahm, um sorgfältig zu zielen, konnte dieses Zehntausendstel der Erdanziehung der Ladung Geschwindigkeit geben, ohne daß man es bemerkte.
    Die Oberfläche kam rasch näher. Die blauen Strahlen der Impulsdüsen brannten vor dem Hintergrund der schmutzigen Eisfläche und verlangsamten das Landemanöver, aber plötzlich sah Carl, daß es nicht ausreichte. Der schwerfällige, hundert Meter lange Zylinder kam zu schnell herunter. Er war nicht mehr zu bremsen.
    Er ließ die Steuerbordmaschine wenden und ihre Schubkraft einsetzen. Die Einheit gehorchte und verfeuerte ihre Reserve.
    »Was, zum Teufel, hast du vor?« rief Jeffers.
    »Schacht klarmachen!«
    »Was…?«
    »Mach ihn schon frei!«
    Die übliche Verfahrensweise war die, daß große Lasten in ungefähr fünfzig Metern Höhe abgebremst und dann Meter für Meter langsam abgesenkt wurden. Sein Rechner verriet ihm, daß dieses Manöver unmöglich war. Sein Instinkt sagte ihm, daß er etwas anderes versuchen mußte.
    Er jagte vorwärts, holte den Zylinder mit seiner Arbeitskapsel beinahe ein. Ein Antippen von der unteren Backbordmaschine, zwei leichte Drehungen hier, ein Stoß von der Seite, um die Ausrichtung genau zu erreichen…
    Ein Pfeil aus der Höhe, gezielt in ein kleines schwarzes Loch.
    Der orangefarbene Zylinder traf den Rand von Schacht 3, wurde momentan aufgehalten, dann brach er eine Eiskante los und stieß in den Schacht, daß Eissplitter emporstoben.
    Volltreffer, frohlockte er. Das Material aus elastischen Kunststoffibern paßte sich biegsam an, als der Zylinder in den Schacht gerammt wurde und darin verschwand.
    »He!« rief Jeffers. »Was soll das?«
    »Er ist mir ausgerutscht.«
    »Von wegen! Du gibst an, das ist alles.«
    Carl setzte die Arbeitskapsel neben Jeffers auf und stieg aus. »Wirklich nicht! Ich habe in letzter Minute noch korrigiert. Dachte mir, es sei besser, einen sauberen Treffer zu versuchen, als mit einem Gewaltmanöver ’ne Menge Treibstoff zu verbrennen. Um so mehr, als ich ihn sowieso nicht hätte aufhalten können.«
    Der Zylinder kam in zwanzig Metern Tiefe zum Stillstand. Jeffers schüttelte den Kopf. »Reine Angeberei«, beharrte er, dann ging er in den Schacht, um den Zylinder nach Materialrissen zu untersuchen.
    Es gab keine. Das Material, glatt und elastisch, konnte über scharfe Kanten und Ecken gleiten, was es zur Auskleidung der Schächte und Stollen im Kometenkern besonders geeignet machte.
    Die fünfzehn Angehörigen der Montagegruppe hatten zehn Tage Zeit, die Stollen und Schächte eines begrenzten Bereichs im nördlichen Polargebiet fertigzustellen, die Schächte und Stollen mit druckfesten Isolierungen auszukleiden, Belüftungspumpen und Lufterneuerungsanlagen einzubauen, Schleusenkammern zu installieren und die fertiggestellten Teile mit Luft zu füllen. Nicht lang genug. Und unterdessen wurden die neuerdings geweckten Wissenschaftler an Bord der Edmund Halley ungeduldig.
    Selbst mit einhundertzwölf Hilfsgeräten und Maschinen war die Arbeit kaum innerhalb der gesetzten Frist zu bewältigen, da es nur eine begrenzte Zahl von Spezialisten zur Anleitung und Überwachung gab. Die gesamte Expedition verfügte gegenwärtig nur über 67 ›lebendige‹ Mitglieder. Annähernd dreihundert weitere lagen in den Kühlfächern, mit Körpertemperaturen knapp über dem Gefrierpunkt.
    Am schwarzen Himmel warteten die Raumsonden mit ihren teils menschlichen, teils materiellen Ladungen. Ihre ungeheuren Sonnensegel waren eingerollt und zusammengefaltet, wurden für die nächsten siebzig Jahre nicht mehr benötigt. Neben dem walähnlichen Rumpf der Edmund Halley wirkten die silbrigen Sonden wie lauernde Barracudas.
    Die weitesten der frisch gebohrten Schächte reichten tief in den Kern hinein und dienten der Aufnahme der Sonden. Dort konnten die Besatzungen abwechselnd die langen Jahre des Fluges durch das äußere Sonnensystem verschlafen. Einige wenige würden jedes Jahr geweckt, andere an ihrer Stelle in die Kühlfächer gehen.
    »Alles in Ordnung?« zwitscherte von irgendwo eine Stimme in ihren Helmlautsprechern.
    Carl blickte umher und sah eine am Polarkabel rasch näherkommende Gestalt. Lani Nguyen. Sie hatte sich mit einer Armklammer ans Kabel gehängt und winkte mit der freien Hand, was ihr Ähnlichkeit mit einem kranken Vogel verlieh, der mit nur einem

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