Im Herzen des Kometen
mich erwartet.«
»Nein, ich meinte das Eis ringsum. Fühlst du nicht, wie kalt es ist? Und das trotz Isolation und obwohl unsere Anzugheizungen voll aufgedreht sind.«
»Es wird schon noch wärmer. Vergiß nicht, wir haben einen Meter Isolation um diese Wandung gelegt.«
»Das wird ein langer Winter.« Jeffers lächelte. Bald würde er im Kühlfach liegen und nichts mehr wissen, und der Gedanke verschaffte ihm offenbar Befriedigung. Er hatte während des ganzen Fluges Dienst getan, hatte sich tödlich gelangweilt, und nun wurde er mit harter und gefährlicher Arbeit überrollt. Es war Zeit, daß andere übernahmen, die Erste Wache.
Carl wußte nicht recht, worauf Jeffers hinauswollte. »Die Kühlfächer sind nicht ohne Risiko, weißt du«, sagte er. »Es kann Fehlfunktionen des Systems geben, oder…«
»Ich weiß, ich weiß. Meine Biochemie könnte durcheinandergeraten. Oder die Leute vom Wachdienst drehen den falschen Schalter, schneiden mir den Saft ab, und die Sicherheitsvorkehrungen versagen. Oder ein Asteroid trifft den Kometenkern, und er platzt auseinander.« Er lachte. »Trotzdem, für die nächsten Jahrzehnte ist es eine Einbahnstraße.«
»Und?«
»Ich ziehe es vor, während des langweiligen Teils zu schlafen und Geld auf meinem Konto zu sammeln.« Jeffers’ schmales Gesicht verzog sich zu einer ironischen Grimasse. »Vorausgesetzt, die Politiker bescheißen uns nicht um unser Geld.«
»Wieso? Warum sollten sie?«
»Stell dich nicht so dämlich, du bist auch ein Percell! Du weißt genau, wie diese Expedition zusammengesetzt ist.«
»Ah… wie?«
»Die Orthos haben alles in der Hand.« Jeffers zählte die Namen an den Fingern ab. »Cruz, dann Oakes, Matsudo, d’Amaria, Ould-Harrad, Quiverian. Alle Abteilungsleiter sind Orthos.«
»Und was schließt du daraus?«
»Sie halten uns für Monster!«
»Na, ich weiß nicht.«
»Und ob! Sieh dir an, wie die Orthos in der Heimat unseresgleichen behandeln! Glaubst du, diese hier seien anders?«
»Sie sind nicht wie dieser Mob, der letzte Woche die Versammlungshalle in Chile niedergebrannt hat, wenn du das meinst. Gewiß, ich habe auch davon gelesen, und was es anderswo gegeben hat. Das ist ein Grund, warum ich hier bin, genau wie du.«
»Im Raum ist es nicht anders.«
»Ist es doch. Diese Orth – diese Leute wissen, daß sie tatsächlich genau wie wir sind.«
»Aber sie sind es nicht«, erwiderte Jeffers triumphierend.
Carl lächelte verdrießlich. »Wer hat hier Vorurteile?«
»Gott, Carl, du weißt, daß wir nicht wie sie sind.« Jeffers wurde ernst und beugte sich zu ihm. »Unsere Körper sind besser, weniger anfällig, ausdauernder bei weniger Nahrung, das ist bekannt. Aber wir sind auch klüger. Das zeigen die Tests.«
»Glaub ich nicht.«
»Weil du nicht willst. Aber die Statistiken sprechen eine klare Sprache!«
Carl grunzte irritiert.
»Sieh mal, als wir heranwuchsen, waren wir Wunderkinder – bevor die Leute anfingen, sich gegen uns zu wenden. Alle Percelle waren so. Du erinnerst dich an die Stipendien? Die besondere Förderung?«
»Die hatten wir verdient. Wir waren eben klüger.«
Carl schüttelte den Kopf. »Wir wurden klüger – wegen der Vorzugsbehandlung.«
»Irrtum, mein Lieber! Intelligenz wird nicht erworben, sie ist angeboren, das solltest du wissen. Als Percell bin ich bloß Durchschnitt, aber ich bin immer weit besser herausgekommen als der typische Ortho, obwohl ich kein guter Redner bin.«
»Gut. Aber du bist nicht besser als Kapitän Cruz oder Dr. Oakes.«
»Einverstanden«, sagte Jeffers. »Aber die sind auch keine durchschnittlichen Orthos, sondern Spitzenbegabungen, von denen es vielleicht eine auf fünfhundert gibt, sonst wären sie nicht hier. Du kennst die Verhältnisse zu Hause. Sie sind gegen uns, weil sie wissen, daß wir besser sind.«
»Unsinn! Sie wissen nur, daß wir anders sind.« Carl stand zu schnell auf, und seine Klebegriffe rissen sich von der Stollenwandung los. Er flog zur anderen Seite hinüber, machte einen unfreiwilligen Überschlag und schlug mit dem Kopf gegen die Wand.
»Verdammt!« Es war peinlich. Jeffers lachte, sagte aber nichts. Carl rieb sich den Kopf, als er zurückkam, ließ sich seine Gereiztheit aber nicht weiter anmerken. Jeffers war wie allzuviele Percelle – durch die Ereignisse in der Heimat in eine Art Verfolgungswahn getrieben, der jede eingebildete Zurücksetzung oder Kränkung zu einer schwärenden Wunde machte. Redete man darüber, wurde der Antagonismus nur
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