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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Sommertag«, setzte der Botschafter das britische small talk fort, entschloß sich aber dennoch, gleich zur Sache zu kommen. »Sie müssen entschuldigen, Oberst. Ich habe um dieses Treffen ersucht, weil ich ein delikates Problem am Hals habe.«
    »Dagegen werden wir gewiß etwas unternehmen können. Das hört sich übrigens angenehm an, ein delikates schwedisches Problem. Sonst sind es ja meist Ihre französischen Kollegen, die sich derlei zuziehen«, erwiderte der Oberst lächelnd. Er hatte das Wort »delikat« klingen lassen, als ginge es um ein amouröses Abenteuer und nicht um eine politisch kitzlige Situation.
    »In unserer Botschaft, also auf unserem Territorium, befindet sich ein sowjetischer Staatsbürger. Er hat um politisches Asyl nachgesucht, kann allerdings nicht in der Botschaft wohnen bleiben, wie Sie verstehen werden, und…«
    Der Botschafter verstummte mitten im Satz, als er den blitzschnell veränderten Gesichtsausdruck des ägyptischen Sicherheitsmannes sah. Beide starrten sich kurz verblüfft an. Der Oberst hatte sich als erster wieder in der Gewalt.
    »Dieses Problem ist offenkundig mehr als delikat, Herr Botschafter. Es geht also um einen bestimmten Admiral?«
    »Ja, Vizeadmiral, um genau zu sein.«
    Der Oberst blickte demonstrativ lange in seine Kaffeetasse, bevor er antwortete.
    »Und wir glaubten, er befände sich in der amerikanischen Botschaft. Das hätte uns die Angelegenheit auf gewisse Weise leichter gemacht. Nun, Herr Botschafter, was genau sollen wir bei diesem Problem unternehmen? Was meinen Sie? Hat Ihre Regierung schon Stellung genommen?«
    »Nein, ich erwarte erst in drei oder vier Tagen Anweisungen. Ich könnte mir aber vorstellen, daß sie ihn nach Stockholm bringen wollen. Hier kann er ja nicht bleiben?«
    »Und Sie werden ihm Asyl gewähren?«
    »Das weiß ich nicht, aber ich gehe davon aus.«
    »Und wenn unsere Regierung die Auslieferung des Mannes verlangt?«
    »Dazu kann ich im Moment nicht Stellung nehmen. Warum sollte Ihre Regierung das übrigens wollen?«
    »Weil die Russen über das, was geschehen ist, gelinde gesagt empört sind. Ich kenne die näheren Details nicht, aber sie betrachten den Vorfall als äußerst ernste Angelegenheit. Wir sitzen also in der Tinte, um einen englischen Ausdruck zu gebrauchen. Ich glaube jedenfalls, daß er englisch ist. Also, was werden Sie vorschlagen?«
    Der Botschafter dachte nach. Die Sache hatte eine unerwartete Wendung genommen. Natürlich war es zu spät, diese Initiative zu bedauern, und im übrigen wäre es wohl ohnehin früher oder später nötig gewesen, die Ägypter zu verständigen. Bis auf weiteres war es wohl am klügsten, mehrere Möglichkeiten offen zu lassen.
    »Für den Moment kann ich nichts Genaues vorschlagen«, begann der Botschafter zögernd. »Ganz allgemein jedoch ist unsere Gesetzgebung so, daß wir niemanden ausliefern, der etwa mit der Todesstrafe rechnen muß. Und in dieser Hinsicht ist hier wohl unzweifelhaft eine gewisse Gefahr gegeben. Sind Sie nicht meiner Meinung, Oberst?«
    Seitdem das Gespräch ernst geworden war, ließ der Oberst zum erstenmal ein feines Lächeln sehen.
    »Unzweifelhaft. Und wie soll der nächste Schritt aussehen?«
    »Vorausgesetzt, daß die Regierung meines Landes dem Mann politisches Asyl gewährt, was vorauszusetzen ich bis auf weiteres für am klügsten halte, haben wir also ein gemeinsames Problem.«
    »Ohne jeden Zweifel. Und?«
    »Dann sollte es wohl sowohl im ägyptischen wie im schwedischen Interesse liegen, den Burschen vom ägyptischen Territorium zu entfernen. Teilen Sie diese Meinung?«
    »Ja, das ist eine denkbare Schlußfolgerung. Und wie sollte das geschehen, wenn ich fragen darf?«
    »Dazu habe ich noch nicht Stellung nehmen können. Ich gehe davon aus, daß wir Sie um Hilfe bitten werden.«
    »Die kann ich im Augenblick nicht garantieren. Wir stehen genau zwischen Ihnen und den Russen, und wie ich schon sagte, machen die den Eindruck, äh, als sei ihnen an einer Lösung dringend gelegen.«
    »Wenn wir Ihnen den Mann ausliefern und Sie ihn an die Russen weitergeben, landen wir in einer ziemlich peinlichen Situation, wenn die Sache herauskommt. In diesem Fall müssen wir uns auf Ihre Diskretion verlassen können.«
    »Das ist eins der wenigen Dinge, die ich Ihnen schon jetzt zusagen kann. Aber wenn nicht, was passiert dann?«
    »Das weiß ich erst, wenn ich Anweisungen meiner Regierung erhalten habe. Wenn wir aber für den Moment davon ausgehen, daß der Mann in

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