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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Schweden Asyl erhält, werde ich gezwungen sein, bei Ihnen in aller Form darum nachzusuchen, daß Sie, tja, daß Sie uns dabei helfen, ihn ohne Störungen nach Hause zu bekommen.«
    »Das wird vielleicht nicht leicht. Die Russen scheinen, wie ich schon sagte, sehr darauf bedacht zu sein, eine solche Entwicklung zu stören, und dann lande ich in den Krallen meiner Regierung, was Ihnen übrigens auch blüht. Wann kann ich mit einem definitiven Bescheid rechnen?«
    »Frühestens in fünf Tagen. Ich wäre Ihnen übrigens sehr verbunden, wenn Sie diese Information als vertraulich behandeln könnten.«
    »Sie meinen, wir sollen bei den Russen nicht petzen?«
    »Hm.«
    »Und wenn er nun Asyl erhält - ich teile Ihre Auffassung, daß dies am wahrscheinlichsten ist -, wir Ihnen aber beim Transport des Mannes nicht helfen wollen?«
    »Dann dürften wir in einer unangenehmen Klemme sitzen. Die Botschaft ist, wie Sie wissen, schwedisches Territorium. Solche Geschichten hat es ja früher auch schon gegeben. Sie können sich ziemlich in die Länge ziehen. Die Sache wird bekannt, es gibt eine Menge unguter Publizität, es wird eine Prestigeangelegenheit, und sämtliche Parteien werden handlungsunfähig. Soweit ich es sehe, wäre das sowohl aus ägyptischer wie auch schwedischer Sicht die schlechteste Alternative.«
    »Und die beste Alternative wäre, den Mann ohne Krach und öffentliches Aufsehen nach Schweden zu bekommen?«
    »Ja, dann sind wir beide jedenfalls das Problem los.«
    Beide schwiegen eine Weile. Beiden war klar, daß alles, was im Moment gesagt werden konnte, gesagt worden war. Ebenso deutlich war, daß das Problem sehr viel größer war, als beide vor dem Treffen vermutet hatten.
    Sie verabredeten, sofort Kontakt aufzunehmen, sobald die schwedische Regierung zu einem Entschluß gekommen war. Das war alles, worüber sie sich im Moment einigen konnten. Beide hatten jetzt einen außerordentlich unangenehmen Bericht zu Papier zu bringen, und keinem ihrer Vorgesetzten würde es gefallen, ihn auf den Tisch zu bekommen.
    Sie gaben sich die Hand und trennten sich. Der Oberst ging, ohne zu bezahlen, was völlig in Ordnung war, da er damit nicht an der Reihe war. Der Botschafter blieb noch lange sitzen, ohne seinen Tee anzurühren.
    Am Horizont ging gerade die Sonne unter, und von den Minaretts ertönte in der Abenddämmerung der klagende Singsang der Freitagsgebete. Die Fledermäuse begannen, zwischen den Palmen im Garten des Marriott-Hotels herumzuflattern. Doch der Botschafter blieb regungslos sitzen.
    Maria Szepelinska-Adamsson war seit fast genau zwölf Stunden tot, als die Polizei sie fand.
    Wie gewohnt war die normale Polizei als erste am Tatort, fast gleichzeitig mit der Lokalpresse, da die Anweisung über Polizeifunk ergangen war, aus der hervorging, es handle sich vermutlich um Mord. Kriminalreporter hören in Norrköping wie überall in der Welt den Polizeifunk ab und wittern schnell Blut.
    Es hatte seinen Grund, daß sie so schnell gefunden wurde: Sie hatte wichtige und vertrauliche Unternehmensakten in der Wohnung und hätte bei einer Konferenz am Freitagmorgen um 10 Uhr einen technischen Vortrag halten sollen. Als sie nicht auftauchte und sich auch am Telefon nicht meldete, hatten ihre engsten Kollegen sich in ein Taxi gesetzt und einen Hausmeister mit dem Hauptschlüssel herausgeklingelt.
    Die Polizei hatte kaum mehr zu tun, als den Tatort abzusperren und die Beamten von der Mordkommission in Norrköping anzurufen. Einer der Polizeibeamten stand gerade vor der Haustür und übergab sich, als der erste Reporter vom Folkbladet Östgöten erschien.
    Der Polizeibeamte murmelte etwas von einem typischen Hurenmord, und es sei der widerlichste Anblick, den er in seinem ganzen Leben erlebt habe. »Entweder hat hier so etwas wie ein Jack the Ripper zugeschlagen«, sagte er zu dem Reporter, während er sich gleichzeitig den Mund abwischte und sich wieder in die Gewalt zu bekommen suchte, »oder es läuft hier in Norrköping ein Werwolf frei herum.«
    Das waren Worte, die er später tief bereuen würde.
    Ein Fotograf des Östgöta-Correspondenten hatte sie ebenfalls gehört, und solche Worte sind für Journalisten eine unwiderstehliche Versuchung. Ausdrücke wie WERWOLFMORD und RITUALMORD machen sich in Schlagzeilen hervorragend. Es sind nur wenige Buchstaben, die man leicht erfaßt und die sich in sehr großem Schriftgrad setzen lassen.
    Als die Männer der Mordkommission da waren und den Fall übernommen hatten, war es

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