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Im Interesse der Nation

Im Interesse der Nation

Titel: Im Interesse der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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mit Äußerungen von Seiten der Polizei vorbei. Doch das unglückselige Mißverständnis vom »typischen Hurenmord« tauchte in den Pressemeldungen des nächsten Tages trotzdem auf. Es blieb unklar, aus welchem Grund der geschockte Polizeibeamte dieses Wort gewählt hatte. Vermutlich war die Erklärung so einfach wie peinlich: Eine Polin, die einen Schweden heiratete und eine zu gute Wohnung hat und sich dann von dem Freier trennt, der sie nach Schweden gebracht hat - na ja, jeder weiß ja, was das für Weiber sind. Etwa so verhielt es sich, als die Diplomingenieurin Maria Szepelinska-Adamsson in der schwedischen Presse ihren ersten entsetzlichen Nachruf erhielt.
    Noch schwebte Kriminalinspektor Rune Jansson von der Mordkommission der Polizei in Norrköping in glücklicher Unwissenheit über das, was die Zeitungen von morgen bringen würden. Und so bekümmerte es ihn nicht. Sein Problem war ernster. Es ging nämlich um einen ungewöhnlich unschönen Mord mit einem unbekannten Täter, der seine Absicht, sich nicht erwischen zu lassen, deutlich zu erkennen gegeben hatte, und der zudem nicht der frühere Mann der Toten war.
    Ingenieur Michael Adamsson, der bei der Flugzeugabteilung von Saab in Linköping einen Job der höchsten Sicherheitsstufe hatte, war den Abend zuvor, an dem der Mord vermutlich stattgefunden hatte, mit seiner Mutter, seiner neuen Verlobten und seinem sechsjährigen Sohn zusammengewesen, den er am Freitagabend zu seiner früheren Frau nach Norrköping hätte zurückbringen sollen. Das Paar hatte gemeinsames Sorgerecht. Das Verlobungsessen, zu dem sie sich die Ringe angesteckt hatten, war ein überzeugendes Alibi.
    Sowohl Adamsson als auch seine frühere Frau hatten den ganzen Tag an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen in Linköping und Norrköping zugebracht. Diese Angaben waren schon geprüft worden.
    Es handelte sich also nicht um den altgewohnten Mörder aus der Familie. Bei der Mordkommission hatte man schnell die lokale Sicherheitsabteilung verständigt, da Einwanderer aus Polen erst dann eine Aufenthaltserlaubnis für Schweden erhalten, wenn die Sicherheitspolizei den Antrag untersucht und gebilligt hat. Folglich lag bei der Säpo, der Sicherheitspolizei, eine vollständige Akte über das Opfer und dessen Hintergrund. - Bei der Säpo wurde gerade überlegt, ob man die Akte an die »offene Abteilung« weiterbefördern könne, wie bei der Sicherheitspolizei die normale Polizei genannt wird. Aus unbekanntem Grund hatte man die Entscheidung verzögert. Statt dessen hatte man die Zentrale in Stockholm verständigt. Und das war besorgniserregend.
    Die Techniker hatten vier Stunden am Tatort zugebracht und waren schon jetzt zu dem Schluß gekommen, daß das Ergebnis niederschmetternd sein würde. Der Mörder hatte perfekt hinter sich aufgeräumt. Sämtliche Flächen, auf denen man Fingerabdrücke hätte vermuten können, waren sorgfältig abgewischt, vermutlich vom Mörder selbst. Kühlschranktür, Glastisch, Spüle, Türpfosten, Porzellan und sogar Badezimmerspiegel und Klobrille.
    Dieser letzte Umstand war bemerkenswert. Ein normaler schwedischer Mörder legt bei seiner Arbeit kein solches Wissen um kriminaltechnische Untersuchungsmethoden an den Tag.
    Das Opfer hatte mit dem Mörder Wein getrunken, was die beiden Gläser vermuten ließen. Das eine war von Fingerabdrücken gesäubert worden, und das zweite würde kaum andere als die des Opfers aufweisen.
    Das Opfer hatte den Mörder vermutlich gekannt. Das Motiv ließ sich weder mit Raubmord noch mit Diebstahl in Verbindung bringen, da zahlreiche Wertgegenstände, die sich leicht hätten verkaufen lassen, noch am Tatort herumlagen. So hatte der Mörder etwa den Schmuck des Opfers auf den Fußboden gekippt und liegen lassen. Das einzige, was bislang zu fehlen schien, waren Fotos, die aus dem privaten Fotoalbum des Opfers herausgerissen worden waren.
    Der Mörder war ein Bekannter der Toten, der ruhig, methodisch und kaltblütig vorgegangen war und über Tatortuntersuchungen bemerkenswert gut Bescheid wußte. Täter und Opfer hatten gemeinsam Wein getrunken, dann mußte es zum Streit gekommen sein. Die Mordwaffe war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Messer, doch dieses Messer war am Tatort nicht zu finden.
    Bis auf weiteres wirkte das Vorgehen des Mörders entschlossen, kaltblütig und in technischer Hinsicht geschickt. Der tiefe Messerschnitt am Hals ließ keinerlei Zögern erkennen, das hatte man schon am Tatort klären

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