Im Keller
den Kopf hängen und kratzte sich an den Händen. „Ich wollte Simone sogar von der blöden Idee mit dem Jungen abhalten, ehrlich, das war mir viel zu radikal! Aber die Frau hatte sich das nun mal in den Kopf gesetzt, da war nichts zu machen.“
„Hat sie den Jungen selbst entführt?“
„Ja, natürlich, ich war das nicht! Als ich von der Schmitz gehört hab, dass das zweite Tagebuch aufgetaucht ist, hab ich Simone sofort Bescheid gesagt. Die hatte sich von irgendwem ein Auto geliehen und den Jungen von der Schule abgeholt. Sie hat ihm erzählt, sie sei von der Polizei und arbeite mit Ihnen zusammen, und er dürfte sich mal einen echten Tatort angucken. Unterwegs gab’s dann Cola mit Schlafmittel.“
„Sehr einfallsreich. Und dann durfte Willi Gerber den Jungen in der Garage bewachen, wä hrend sich Frau Kamp gepflegt aus dem Staub macht. An welchem Flughafen waren Sie übrigens mit ihr verabredet?“
Türholz schien überrascht. „Na, an unserem hier! Haben Sie sie etwa nicht geschnappt?!“
„Noch nicht.“
Jetzt ließ der Mann mit den hellbraunen Augen ein bitteres Lächeln sehen. „Und ich hab mich gefragt, was der Unsinn mit dem Tagebuch-Verbrennen überhaupt soll. Die Polizei hätte doch längst Kopien machen können, was hätte die Aktion dann gebracht? Inzwischen denke ich, das war nur ein Ablenkungsmanöver, damit sich Simone in aller Ruhe absetzen kann.“ Tü rholz schüttelte ungläubig den Kopf. „Die muss ihren Abgang seit Jahren geplant haben.“
„Das sehe ich auch so, vielleicht hat sie sich längst falsche Papiere besorgt.“ Arthur schwieg eine Weile nachdenklich, beugte sich dann vor und meinte: „Herr Türholz, ich möc hte Ihnen einen Vorschlag machen: wenn Sie von einer Anzeige gegen Frau Schmitz absehen, lege ich ein gutes Wort für Sie ein.“
Türholz guckte zur Seite und schien zu überlegen. „Ich kann verstehen“ , behauptete er schließlich, „dass die Frau außer sich vor Angst um ihren Sohn war. Ich hätte vielleicht das gleiche getan.“ Auf einmal schaute er Arthur an. „Ich bin Anwalt, Herr Schüller, ich weiß genau, was Sie für mich tun können.“
„Ok, wir reden später noch mal drüber.“
Arthur entließ Türholz und schickte zwei Kollegen zu Roberto Garcia, um ihn gleich mitzubringen.
In der Zwischenzeit gönnte er sich einen Kaffee und einen Schokoriegel, rief Claudia im Krankenhaus an und erkundigte sich nach Tim. Der kam allmählich zu sich und schien sich nicht an viel erinnern zu können. Claudia war immer noch dankbar ohne Ende dafür, dass alles gut gegangen war, doch langsam schien ihr zu schwanen, dass ihr Verhalten gegenüber Anwalt Türholz nicht ohne Folgen bleiben konnte, und so fragte sie mit (echter oder gespie lter?) Bangigkeit in der Stimme: „Kannst du dich um die Kinder kümmern, wenn ich im Gefängnis bin?“
„Aber klar, wenn Tim Abitur macht, kriegst du sicher ein paar Tage frei.“
Stille in der Leitung. Als sie endlich begriff, dass er sie ärgern wollte, reagierte sie überraschend entspannt. Hatte sie noch mehr Tabletten geschluckt? „Du meinst, ich werde gar nicht eingesperrt?“
„Glaub ich eher nicht.“
„Erzähl doch mal, was nun eigentlich rausgekommen ist - was ist in der Garage passiert? Wer hat Clemens ermordet? Und habt ihr die Kamp erwischt?“
Arthur trank Kaffee und berichtete ausführlich über alle Mord- und Zwischenfälle sowie über Kamps raffinierte Flucht, bis Khalid Uschi ins Zimmer brachte, die die Kollegen bei einer ihrer Putzstellen aufgegabelt hatten.
Sie trug Jeans und ein übergroßes, nicht ganz sauber wirkendes, braunes Shirt, das rötlichbraune Haar war zu einem winzigen, struppigen Zöpfchen im Nacken zusammengebunden. In ihren fast grünen Augen stand die Angst. Sie ahnte wohl, dass die Polizei inzwischen alles wusste.
Das erste, was sie sagte, war: „Ich möchte, dass Simone herkommt!“
„Tja, Frau Gerber, das möchten noch mehr Leute. Aber leider ist Ihre Freundin nicht auffindbar.“
„Wieso? Ist sie denn nicht zu Hause?“
„Nein, ist sie nicht. Haben Sie eine Ahnung, wo sie sonst sein könnte?“
Statt zu antworten, ließ sich Uschi auf einen Stuhl plumpsen, und schon flossen die Tränen. Na das hatte Arthur ge rade noch gefehlt! Er holte Taschentücher aus einer Schreibtischschublade und hielt sie Uschi hin.
Sie bediente sich, schnäuzte sich langwierig und stellte dann unerwartet die Frage: „Bin ich jetzt verhaftet?“
„Ich fürchte, ja“,
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