Im Keller
Aufstellung des Bettes reichlich extravagant: es stand mindestens ein bis zwei Meter von jeder Wand entfernt, mitten im Schlafzimmer, rundum umgeben von hüfthohen ,Mauern‘ aus Zeitungen. Warum?
Kopfschüttelnd verließ er das Schlafzimmer und machte einen Rundgang durchs Haus, wobei er sich alle Fragen aufschrieb, die ihm in den Sinn kamen, und das waren nicht wenige: warum stand das Bett mi tten im Raum, warum war im Bad der Spiegel komplett zugeklebt? Ebenso wie der Spiegel im Gäste-WC im Erdgeschoss? Das musste etwas zu bedeuten haben. Und die Zahlen an der Türzarge des Wohnzimmers waren ihm ebenfalls nicht entgangen. Schienen Uhrzeiten zu sein. Oder auch nicht.
Als nächstes begab er sich an einen Ort, an dem bevorzugt die sprichwörtlichen Leichen ve rsteckt wurden. Aber von diesem Gesichtspunkt her war Carmen Elisabeth Kirchfelds Keller eine Enttäuschung: da unten gab es nicht einmal ein paar Kartons mit spannendem Inhalt. Nur einen Raum voller Werkzeug, Gartengeräte und alter Farbeimer, einen Heizungskeller mit Schrank und einer abgeschalteten Tiefkühltruhe, beides leer, alte Möbel, ein Regal mit Einweckgläsern und eine Waschküche mit Waschmaschine und Wäscheleinen.
Das Haus war damit erledigt, zurück zu Clau dia Schmitz. Die Frau saß in ihrem Auto (das möglicherweise so alt war wie die Leiche!) auf dem Fahrersitz bei geöffneter Tür, ein Bein in blauer Jeans auf dem Bürgersteig (sie parkte auf der falschen Seite!) und wischte sich mit einem Tuch die Hände ab. Als sie Arthur bemerkte, schaute sie auf, Erwartung in den strahlend blauen Augen.
Arthur lächelte sie an. „Darf ich mich zu Ihnen ins Auto setzen? Ich hab noch ein paar Fr agen.“
Die Frau nickte, Arthur ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder und hatte sofort einen eige ntümlich künstlichen Geruch in der Nase, vermutlich von dem Reinigungstuch, das die Schmitz zusammengeknüllt auf dem Armaturenbrett abgelegt hatte. Er kurbelte die Seitenscheibe herunter und fragte: „Haben Sie irgendeine Vermutung, wer der Tote im Haus sein könnte?“
Die Frau schaute leicht abwesend durch die Frontscheibe. „Vielleicht mein Cousin Cl emens Kirchfeld ... der ist vor etwa 24 Jahren spurlos verschwunden.“
„Ach was! Der Sohn Ihrer Tante?“ Arthur machte es sich auf seinem Sitz gemütlich, dre hte sich halb zur Schmitz um und legte sich die Jacke auf den Schoß. „Erzählen Sie mal was über die Familie.“
Claudia Schmitz sah immer noch nach vorne. Im Profil hatte ihre ansonsten unauffällige Nase einen ganz leichten Höcker in Höhe der Augen. „Clemens’ Vater war Bauunternehmer. So weit ich weiß, hat er ihn mehr oder weniger dazu gezwungen, in seinem Betrieb mitzuarbe iten. Clemens hätte lieber Pharmazie studiert, das hat er mir mal erzählt. Sein Vater starb dann plötzlich an Herzinfarkt, Clemens muss da so .... 26 gewesen sein. Ich glaub ja, dass der das irgendwie nicht verkraftet hat.“
Sie machte eine ku rze Pause, griff auf einmal mit beiden Händen in ihren Nacken, öffnete eine Spange, drapierte braunrote Locken über ihre Schultern nach vorn, beugte sich vor und kramte in einer schwarzen Tasche, die zu ihren Füßen stand. „Ich muss was trinken.“ Mit einer Colaflasche kam sie wieder hoch, wobei sie mit gekonnter Kopfbewegung die vollen Haare nach hinten warf, setzte die Flasche an ihren Mund und trank ein paar Schlucke. „Möchten Sie auch?“
Sie hielt Arthur die Flasche hin, und er nahm sie und konnte nicht verhindern, dass er sich vorstellte, wie gerade noch ihre Lippen diese Öffnung umschlossen hatten, und als er jetzt seine Lippen quasi auf ihre Lippen legte ... sehr anregend, die Vorstellung!
Aber die Cola schmeckte wie abgeleckte Fensterscheibe. „Und wie ging´s dann weiter mit Ihrem Cousin?“
Claudia Schmitz nahm die Flasche zurück und schraubte sie zu. „Keine Ahnung, was damals genau passiert ist, das meiste weiß ich sowieso nur aus Erzählungen. Clemens fing an zu st udieren und dann an zu saufen. Irgendwann hat er geheiratet, soff weiter und machte Schulden ohne Ende. Und plötzlich war er verschwunden.“
„Hatten Sie damals Kontakt zu Ihrer Tante?“
„Ich hab sie zwei- oder dreimal besucht, aber das war echt deprimierend. Dauernd hat sie nur von ihrem Clemens geredet, und wie furchtbar es ist, nicht zu wissen, wo das eigene Kind ist ... heute kann ich das verstehen.“
„Ja, aber was mich wundert “, Arthur machte eine kurze Pause, er wunderte sich
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