Im Kettenhemd (German Edition)
und ließen den Fremden näher heran. Stets aber hatten sie ein Auge auf den Junker. Der Knabe musste in gebührlichem Abstand warten. Der Größere von den beiden Leibwachen, ein wahrer Hüne, sprach: »Ein Pfeil in den Rücken hat ihn niedergezwungen, Herr.«
Dietrich schaute sich seinen alten Gefährten nun genauer an. Er hatte sich kaum verändert und auch die Kämpfe der vergangenen Tage waren scheinbar spurlos an ihm vorübergegangen. Seine glatten, schwarzen Haare, die er etwa so wie ein Page trug, und die etwas spitze Nase verliehen ihm ein fast jugendliches Antlitz. Als er Dietrich erkannte, war die Freude riesig und beide lagen sich in den Armen.
»Vorsicht, ich bin heute nicht ganz so gut beieinander«, japste der Junker. »Mich hat der Teufel mit seinem Dreizack erwischt«, scherzte er wie immer.
»Na, wenn du schon wieder Scherze machst, kann ich mir wohl meine Sorgenfalten sparen, he.«
»Alles nicht so schlimm wie ein Wirtshaus ohne Wein«, ächzte Jörg. »Wie geht es deinem Weibe, der edlen Gunda?«, erkundigte er sich artig.
Als er so gefragt wurde, senkte sich Dietrichs Blick und es wurde ihm sehr schwer ums Herz. Jörg erkannte sofort, dass etwas passiert war, und bat ihn zu berichten.
»Nun, sie ist tot, mein Freund. Als ich im vorigen Herbst nach Burgund ritt, um eine alte Schuld von König Philipp einzufordern, wurde mein Lehen von einer vagabundierenden Söldnerbande überfallen. Sie töteten alle Knechte und vergewaltigten die Mägde. Wie mir berichtet wurde, hatte Gunda sich mit zwei Knechten und einigen Mägden im Wehrturm verschanzt. Weil sie sich nicht ergeben wollte, haben diese Mistkerle dann Feuer am Turm gelegt. Alle darin sind im Rauch erstickt. Mein Vater und die Schwestern konnten sich in einem geheimen Versteck unter dem Weinkeller verborgen halten. Vater hatte damals englische Befehle verstanden, und so bin ich nun hier, um mich persönlich um diese Herren zu kümmern.«
Erschüttert von den Geschehnissen auf dem Besitz derer von Seidenpfad schwiegen die Männer und schauten sich nur stumm an. Jörg ergriff Dietrichs Hand und nickte ihm zu: »Wirst bald Gelegenheit haben, dein Schwert in die Eingeweide dieser englischen Hunde zu rammen.« Um die Situation zu entspannen, fragte er: »Wen hast du da bei dir?«
»Das ist mein Knappe Cedric. Er kann sich um dich kümmern, wenn es vonnöten ist.«
Jörg lehnte ab und zeigte auf seine Begleiter. »Die sind für mich da und werden mir alles bringen. Wir haben aber leider nicht genug Geld bei uns für ein besseres Quartier.«
Dietrich bot seine Bleibe für Jörg an und sagte: »Ich habe Geld und das sollte reichen, bis du wieder auf den Beinen bist.«
Jörg willigte ein, und sie brachten ihn in die Herberge. Dort legten sie ihn gleich auf den Tisch, der in der Mitte von Dietrichs Zimmer stand.
»Zieht ihm das Wams aus und holt heißes Wasser«, hörten sie Cedric sagen.
Jörgs Männer schauten ungläubig auf Dietrich, doch der nickte nur und machte eine einwilligende Handbewegung. Die Wunde in Jörgs Rücken lag direkt über dem rechten Schulterblatt. Nicht sehr tief, aber schon entzündet. Nachdem sie ausgewaschen war, holte Cedric ein kleines Fläschchen mit einer braunen Flüssigkeit aus seinen Habseligkeiten. Mit leuchtenden Augen raunte er gewichtig: »Echte Schwedenkräuter, ihr Herren! »Habe ich selbst schon an mir ausprobiert.«
»Und warum haben sie nicht gewirkt?«, brummte grinsend Jörgs bärtiger Riese.
Dietrich wusste um die segensreiche Wirkung dieser Kräuter und freute sich insgeheim über diesen Knappen. Cedric versorgte die Wunde des Junkers zum Erstaunen aller Beteiligten schnell und fachgerecht.
»Ihr müsst Euch noch etwa fünf Tage schonen, Herr, dann sollte die Entzündung in der Wunde verschwunden sein«, sagte Cedric mit eifrigem Blick.
Jörg drehte sich zu Dietrich herum und sagte: »Bist du sicher, dass der hier nicht eher ein Wundarzt ist als ein Knappe? Wenn ich wieder kampffähig bin, werde ich dich dem Heerführer vorstellen, vielleicht gibt er dir ein Kommando. Es sind viele Hundertschaftsführer von den Engländern hingemetzelt worden. Die haben verdammt gute Truppen und wir oft nur unsere Tapferkeit.«
»Wieso hast du den Stich in den Rücken bekommen und dazu glatt durch dein Eisen?«, wollte Dietrich wissen. »Überdies ist doch dein Kettenhemd eines der feinsten gewesen, welches Meister Heribert je angefertigt hat.«
»Ja schon, aber leider nicht so fein wie das deine, mein Freund«, murrte
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