Im Kettenhemd (German Edition)
Jörg.
»Hätten die Unseren die Schilde im richtigen Winkel gehalten, wäre der Katapultbeschuss durch die Engländer nicht so verheerend gewesen«, ächzte der Verwundete. »Wir mussten zurück und da hat mich eben so ein Ding erwischt. Mit dem Schwert in der Hand hätten die mich nicht bezwungen. Denk doch an die vielen Turniere, bei denen wir so einiges an Preisgeldern und Waffen gewonnen haben.«
»Hast du den Schild noch, an dem die Lanzen wie Bohnenstroh zerbrochen sind?«, fragte Jörg.
»Aber ja, so einen guten Schutz gebe ich doch nicht freiwillig her, und es war auch noch keiner dabei, der ihn mir nehmen konnte. Er wurde aus einem besonderen Eisen hergestellt, dem beim Schmieden noch ein Pulver aus dem Orient zugegeben wurde. So ein hartes und dabei auch noch recht leichtes Zeug habe ich nie wieder bekommen«, schwärmte Dietrich.
Sie sprachen an diesem Tag noch lange über die alten Zeiten und darüber, wie sie Dinge erdachten, die oft den Sieg brachten.
Cedric, der neue Knappe, nahm sich inzwischen der Pferde und der Ausrüstung seines neuen Herrn an. Als er später zu den bereits gesättigten Männern stieß, sah Dietrich seinen traurigen Blick.
»He Wirt, bring Er noch zu essen für diesen jungen Mann«, rief er der alten Krämerseele zu.
»Tut mir leid Herr, aber die Küchenweiber sind schon im Bette«, wisperte der zurück.
»Dann wirst du eben selbst noch ein paar Eier in die Pfanne hauen, sonst gibt es heute noch Wirt am Spieß«, knurrte Dietrich den Kerl an, was die Saufbolde in der Diele mit lautem Gelächter honorierten.
Der morgige Tag würde nun zeigen, ob sich der weite Weg aus dem Hessischen bis in die Normandie gelohnt hatte und ob es Dietrich gelingen würde, ein ehrenvolles und, nicht zu vergessen, gut bezahltes Kommando zu erhalten.
2. Kapitel
Die Ernennung
Im Heerlager der Franzosen, unweit von Vernon, herrschte reges Treiben. Die Wolken hingen tief und vom letzten Regenschauer war der Boden noch schwer.
Die Waffenschmiede waren den Tag über mit Ausbesserungen an den Harnischen und Kampfeisen beschäftigt. Der helle Klang der Hämmer war weithin zu hören. Pferde wurden beschlagen und an der Feldküche drängten sich die Männer. Das Mahl war nicht sehr üppig und die Kerle hungrig. Die Frauen in der Suppenschmiede wurden von einem kleinen dicken Kerl angeherrscht. Er war der neue »Chef de Cantine«, und die Sorge des Mannes war verständlich, denn sein Vorgänger war von einem italienischen Söldner kurzerhand erdolcht worden, als dessen Napf leer blieb.
Rainier de Dijon kam gerade von einem Erkundungsritt zurück. Einige seiner Männer waren verwundet und auf einem ihrer Pferde saßen zwei Reiter. De Dijon war ein Vetter des Königs und ein sehr erfahrener Waffengänger. Er war der oberste Befehlshaber des Heeres und somit auch der schweren Reiterei, in deren Reihen Junker Jörg bereits einige Angriffe geritten war. »Wir sind in einen Hinterhalt der Engländer geraten und konnten nur mit Mühe entkommen.« Er stieg vom Pferd und verschwand sogleich in seinem runden Zelt. Seine Leibwache salutierte mit den Lanzen und nahm ihren Posten ein.
Dietrich und sein Knappe waren an diesem Tage früh aufgebrochen, um sich beim obersten Befehlshaber zu melden. Junker Jörg hatte ihm ein Empfehlungsschreiben mitgegeben, das ihm sicher nützlich sein würde. Als Berufskrieger musste er wieder in die Dienste eines Feldherrn kommen, denn solange es Krieg gab, sollte auch er sein Auskommen haben.
Im Heerlager angekommen, sahen sie viele Ritterhaufen, die sich die Zeit mit Waffenübungen und Schaukämpfen vertrieben. Sie ritten an prächtigen, aber auch an schlichten Zelten vorüber. Eines kannte Dietrich. Am Banner an der Spitze dieses Zeltes prangte das Wappen des Burghart von Bingen.
Von Bingens Schlachtross stand nicht auf der Koppel bei all den anderen. Der stolze Rappe war gleich neben dem Zelt angebunden. Das Tier trug einen prächtigen Kopfschmuck – eine herrliche Arbeit, reich mit maurischen Edelsteinen verziert. Dieser Schmuck hatte einst ihm gehört und seinen treuen Arcon geziert. Ja, die Würfel bringen mir eben kein Glück, dachte Dietrich.
Anno 1366 hatte er mit dem Edlen von Bingen im Heer des spanischen Königs Alfons XI. von Kastilien gekämpft. In der Schlacht gegen das Emirat von Granada gelang es ihnen, mit nur einer Handvoll Rittern den König vor der Gefangennahme durch die Mauren zu bewahren. Durch seine außerordentliche Tapferkeit in diesen Kämpfen hatte sich
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