Im Königreich der Frommen (German Edition)
verlässt das Königreich
mit Erspartem.
Es gab zwei Arten
von Englisch-Lehrern, als ich da war: Die jungen Muslime und die
Söldner.
Die jungen Muslime
kamen aus Liverpool und New Jersey und was weiß ich woher.
Dort waren sie aufgewachsen und wurden sozialisiert mit Superman und
Kobe Bryant und BicMac, aber kaum waren sie im Königreich,
entdeckten sie den Glauben ihrer Väter, ließen ihre Bärte
wuchern und fingen an, lange, wallende Gewänder zu tragen.
Einer, mit den kurzen Hosen der Truppen des Propheten, hatte gleich
zwei Vaders, die beide im streng geforderten Abstand von ein paar
Schritten hinter ihm her trotteten.
Der typische
Söldner-Lehrer im Königreich dagegen kam aus Südost-Asien,
China oder Korea, war über fünfzig Jahre alt und mit einer
Thailänderin verheiratet. Es ist wirklich so: Die Meisten leben
in Südost-Asien. Dort ist es schön warm, das Leben ist
billig, nur der Verdienst ist grausam. Deshalb füllen sie ein
paar Monate lang im Königreich die Sparbüchse voll.
Ohnehin zieht das
Königreich sein gerüttelt Maß an komischen Käuzen
an, aber die Agentur, für die ich arbeitete, war so eine Art
Komischer Kauz-Supermagnet. Das ist sicher. Dabei rede ich noch
nicht mal von den offensichtlichsten Fällen; von denen, die in
der Uni durch die Räume zogen wie frische Luft und dort in den
Schubläden wühlten, oder von denen, die ihre Studenten
anplärrten. Nein, ich rede von den anderen.
Es fing schon an
beim obersten Nicht-Saudi. Von einem Jahr zum nächsten stieg er
vom normalen Lehrer wie du und ich zum „Direktor“ der
Agentur auf. Sein in der Washingtoner Presse vieldiskutierter tiefer
Fall davor vom Direktor eines angesehenen US-Colleges zum
Englisch-Lehrer im Königreich war ein Thema, über das die
Kollegen ständig tuschelten. In einem Jahr war er drei Mal
trunken am Steuer angetroffen worden. Nach dem zweiten Mal wurde er
als Rektor des angesehenen Colleges geschasst. In einem
Gastkommentar in der Hauptstadtpresse jammerte er, er sei unfair
behandelt worden. Dann entzog er sich dem langen Arm der US-Justiz –
ins Königreich, von allen Ländern.
Wenn er auf
Auslandsreisen war, wurde immer wieder zurückgemeldet, eine
Flasche sei wieder an seinen Händen kleben geblieben, die
Polizei habe ihn aufgegriffen, die Agentur müsse Geld schicken,
um ihn auszulösen. Als er zurückkam, hatte er
Abschürfungen im Gesicht von der teerhaltigen Luft am Reiseort.
Das ging ein paar Mal so.
Dann gab es noch
den amerikanischen Arzt, der bei uns unterrichtete, weil er
angeblich wegen eines Schönheitsfehlers in seinem Heimatland
verklagt worden war. Heutzutage könne man sich als Mediziner zu
praktizieren dort gar nicht mehr leisten, erzählte er jedem,
der es hören wollte.
Oder den knurrigen
Iren, der mich zur Seite nahm und mit einiger Überzeugungskraft
behauptete, er habe in den Achtzigern in West-Berlin für die
Stasi gearbeitet. Damals ging es ihm gold, die Bezahlung war
knuffig, jetzt baute er ein Holzhaus in Thailand für das
Altenteil. Was willste machen. Komm einfach ins Königreich!
Andere hatten ihre
Ersparnisse in der Finanzkrise verloren oder zahlten die Kredite für
ihre College-Gebühren ab. Im Königreich bekam jeder eine
neue Chance, fand jeder seine Nische, den temporären
finanziellen Engpass in die Vergangenheit zu bannen. Wir alle waren
Söldner des kleinen Glückes, geeint durch den Willen zum
schnellen Dollar. Für den waren wir bereit, ein paar Monate
oder Jahre unseres Lebens im freudlosen Königreich abzuleisten.
Je nachdem wie groß der Fehlbetrag war.
Man konnte sich
sanieren hier, das war schon so, aber nicht jeder konnte auch das
Leben im Königreich vertragen. Am Abend zuvor hattest du noch
mit ihr oder ihm zusammengesessen – am nächsten Morgen
waren sie weg. Sie kamen nicht zur Arbeit. Ihre Wohnung war
verlassen. Eine Nachricht war nicht zu finden. Bis durchsickerte,
sorgfältig, vielleicht über Wochen, hatten sie die Flucht
geplant, keinem etwas gesagt oder nur den engsten Freunden, waren in
der Nacht zum Flughafen gefahren und hatten sich ins Flugzeug
gesetzt nach Liverpool, Durban oder Auckland. Vielleicht kam ein
Email, voll der Erleichterung, ein paar Wochen später, mehr
aber nicht.
Klar, jeder von uns
hatte einen Jahresvertrag unterschrieben, trotzdem schmolzen die
Truppen dahin wie Schokoladeneis in der Juli-Sonne. Unsere Agentur
musste 365 Tage im Jahr Anzeigen schalten, um immer wieder neue
Söldner zu werben.
Ich habe in
Deutschland
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