Im Königreich der Frommen (German Edition)
schon als Englisch-Dozent in der Erwachsenenbildung
gearbeitet – ja, so heißt das offiziell. Deshalb bot es
sich auch für mich natürlich an, etwas fürs Sparkonto
zu tun. Ich sah jedoch noch ein zweites mögliches
Betätigungsfeld für mich. Nicht nur ist das Königreich
sehr fromm, es ist auch sehr abgeschirmt, ja, geradezu hermetisch
abgeriegelt. Versuchen Sie mal ein Visum zu bekommen, wenn Sie nicht
als Pilger kommen. Deshalb gibt es auch kaum etwas über das
Königreich zu lesen, schon gar nicht vor Ort recherchiertes und
schon extra-gar nicht in Deutsch.
Das war also mein
Plan: Du unterrichtest ein Jahr lang im Königreich, nimmst das
Geld. Wenn es gut läuft, schreibst du ein bisschen Journalismus
und, wenn du wieder draußen bist, schreibst du ein Buch. Eine
interessante Erfahrung ist das Ganze bestimmt auch. Ein Jahr! Wie
lang kann das sein? 365 Tage. Das wird schon gehen. Eigentlich
konnte es nicht schiefgehen. Eigentlich nicht.
Es gab nur ein
kleines Problem: Anzeigen für Englisch-Lehrer gab es auf den
einschlägigen Internet-Seiten genug. Leider suchte das
Königreich jedoch nur Muttersprachler. Ich bekam ein paar
Absagen. Aber auch schnell das Angebot für ein
Bewerbungsgespräch. In einer kurzen Pause zwischen zwei Stunden
beantwortete ich ein paar Fragen am Mobilnik. Eine davon war, wann
konnte ich anfangen. Das war's. Zwei Monate später war ich
Englisch-Lehrer im Königreich.
Am Anfang lief es
auch sehr gut. Bis vierzehn Uhr unterrichtete ich an der Al Imam
Universität in Riad und am Nachmittag in einer Art
Berufsschule. Abends um kurz nach zehn war ich zuhause. Ich musste
nur zwei Tage um acht Uhr morgens an der Al Imam sein. Einen Tag
hatte ich ganz frei. Die Wochenenden natürlich sowieso. Klar,
ich hatte viel zu tun, aber der Dollar rollte. Deshalb war ich ja im
Königreich. Ich fühlte mich gut.
Eine Wohnung bekam
ich von meiner Agentur gestellt, na ja, eher ein Apartment wohl mit
einem Schlafzimmer und einer Art Gang mit Sofa und Fernseher und
Kochnische und Kühlschrank. Die Agentur mietete den ganzen
Apartment-Block für seine Lehrer. Jeder bekam eines. Ich hatte
Leute um mich, die in einer ähnlichen Situation waren wie ich.
Das war gut. Ich fuhr mit dem Fahrrad zur Uni. Ich war
krankenversichert. Ich hatte keine anderen Kosten. Die Agentur
kümmerte sich um das Visum und den anderen Papierkram mit den
saudischen Behörden. Am Wochenende ging ich mit ein paar
Kolleginnen und Kollegen „hashing“. Hilfreiche
Expatriates mit Geländewagen nahmen uns mit in die Wüste.
Die Frauen rissen die verhassten schwarzen Abayas vom Leib, sobald
wir der Stadt fern waren. Kollektiv stapften wir ein bisschen durch
die Wüste. Nachmittags um halb fünf war sie schön.
Dann fuhren wir wieder nach Hause und am nächsten Morgen ging
ich wieder zur Uni. Klar, ich lebte im Königreich, aber, wie
gesagt, der Dollar rollte. Ich hatte mich dort eingerichtet. Ich
fühlte mich gut.
Wenn ich den
anderen Expatriates erzählte, ich unterrichte an der Al Imam
Universität, bekamen sie große Augen. Denn die Al Imam
Mohammad Ibn Saud Islamische Universität – so ist ihr
voller Name – wird in den US-Medien gerne die
„Terroristen-Fabrik“ genannt. Je nach Zählweise
studierten dort zwei oder drei der Attentäter des 11. September
2001.
Die Al Imam
Universität war und ist wirklich die Kaderschmiede des
saudischen Klerus, aber so schlimm, wie sich das anhört, war
sie auch wieder nicht. Ich habe den Vergleich: Im Sommer
unterrichtete ich einen Monat lang an der König Saud
Universität, der ältesten und wohl renommiertesten Riader
Hochschule, später am Institut für öffentliche
Administration (IPA). Der Unterschied zwischen den Hochschulen war
marginal. Die strenge Ordnung des Königreiches war überall.
In der Fakultät
für Islamische Jurisprudenz und anderen Orten der reinen Lehre
an der Al Imam ließen sie uns westliche Lehrer ohnehin nicht
unterrichten. Ich hatte Kurse in der naturwissenschaftlichen und
wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Dort studierten junge
saudische Männer wie an den anderen Hochschulen auch. Außerdem
unterrichteten wir westlichen Lehrer nur im Vorbereitungsjahr der
Universitäten. Jeder saudische Student muss es durchlaufen.
Während dieser zwei Semester haben die Studenten fast nur
Englisch-Kurse. Zwar hätten sie die Sprache in den sieben bis
neun Jahren Fremdsprachen-Unterricht in einer saudischen Schulen
schon lernen sollen, aber wenn sie zu uns kamen, konnten
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