Im Kreis des Wolfs
Buck starrte in seine Tasse und rührte lange sinnlos darin herum, weil er seinen Kaffee immer schwarz und ohne Zucker trank. Dabei hatte sie Zeit, ihren Mann genauer zu betrachten. Er sah ziemlich mitgenommen aus. An seinem Kinn entdeckte sie graue Stoppeln, die er beim Rasieren übersehen hatte. Sein Hemd war ungebügelt.
»Lane hat mir erzählt, dass du dir unten in Bozeman ein schönes Haus kaufen willst.«
»Ja, es ist wirklich hübsch. Ziemlich klein, weißt du, aber ich brauche auch nichts Großes.«
»Stimmt.«
»Weißt du, dass Ruth nach Santa Fe zieht?«
Er nickte. »Ja, das hab ich gehört.«
Wieder schwiegen sie. Die Musik im Einkaufszentrumwurde leiser, und gleich darauf folgte die Ansage, dass sich ein kleiner Junge verlaufen hatte. Man erklärte den Eltern, wo sie ihren Jungen abholen konnten.
»Weißt du, Eleanor, das mit Ruth und mir, das war nie …«
»Nicht, Buck. Es ist vorbei.«
»Ja, aber …«
»Es ist alles vorbei.«
Er nickte und starrte weiter in seinen Kaffee. Er rührte erneut darin herum.
»Tja«, sagte er.
»Wie geht’s auf der Ranch?«
»Ziemlich gut. Ich überlasse jetzt Kathy viel Arbeit.«
»Das hat sie mir erzählt.«
»Ein tolles Mädchen. Und als Rancher weit besser, als Clyde es je sein wird.«
»Der lernt’s auch noch.«
»Möglich.«
»Der kleine Buck wächst so schnell.«
Buck lachte. »Ja, der macht sich prima. Noch ein, zwei Jahre, dann schmeißt er den ganzen Laden.«
Er nippte zum ersten Mal an seinem Kaffee. Eleanor fragte ihn, ob er schon wisse, wann sein Prozess beginne.
»Wahrscheinlich im September. Hat Kathy dir von Clyde erzählt?«
Eleanor nickte. Man hatte seine Fingerabdrücke auf dieser grässlichen Wolfsschlinge gefunden, doch da Buck sich in allen Punkten schuldig bekannte, sah man bei Clyde von einer Anklage ab. Eleanor wusste, dass Kathy es sich nie verzeihen würde, ihm gezeigt zu haben, wie die Falle funktionierte.
»Hast du schon eine Ahnung, welche Strafe dich erwartet?«
»Neun Monate, ein Jahr, vielleicht auch mehr. Ehrlich gesagt, ist es mir eigentlich egal.«
»Ach, Buck.«
Am liebsten hätte sie die Hand nach der seinen ausgestreckt, ließ es aber bleiben, als sie sah, wie er gegen die Tränen ankämpfte. Eigentlich ist er schon genug bestraft, dachte sie.
»Wenn ich an Luke denke, dann …«
»Bitte nicht, Buck.«
»Nein, ich weiß.«
Er holte tief Luft, hielt sie einen Augenblick an und stieß sie langsam wieder aus. Dann blickte er sich schniefend um und lächelte gequält. »Was soll’s? Abes Jungen sagen, drinnen ist es wie im Sommercamp. Dem Alten geht’s offenbar so gut wie nie zuvor.«
Eleanor lächelte. Das junge Pärchen mit den Zwillingen stand auf. Sie beobachtete Bucks Gesicht, als er die Babys betrachtete. Eines der kleinen Mädchen lächelte ihn an, und Buck traten erneut die Tränen in die Augen. Eleanor wartete, bis er sich gefasst hatte. Endlich konnte er sie wieder ansehen.
»Ich wollte dir bloß sagen … Es tut mir leid, Eleanor, es tut mir so unendlich leid.«
Als sie so weit hinauf in die Berge gefahren waren, wie es mit dem Wagen möglich war, zeigte sich ein schmaler, rosiger Streifen am östlichen Himmel. Zwei Stunden zuvor hatte Hope wie eine Geisterstadt gewirkt. Als sie über den Fluss gefahren waren, hatte Helen zur Kirche hinübergeschaut und an jenen Tag vor beinahe einem Jahr gedacht, an dem Dan ihr von dem Weg aus Wolfsschädeln erzählt hatte.
Diesmal sagte er kein Wort, und auch Helen blieb stumm. Die einzigen Augen, die sie beobachteten, als sie über die Hauptstraße fuhren, gehörten einer schwarzen Katze, die im Licht ihrer Scheinwerfer stehenblieb, sie kurz musterte und dann eilig über die Straße davonlief.
Der Lieferwagen, den sie sich gemietet hatten, war dunkelgrün. Schlammspritzer auf dem Lack zeugten von ihrem nächtlichen Ausflug. Wenn sie fertig waren, würden sie mit dem Wagen zur Hütte fahren, damit Dan alles einladen konnte, was Helen nicht mitnehmen wollte. Am Abend würde die Hütte dann wieder so leer sein wie vor ihrem Einzug. Dann konnten die Mäuse und andere Tiere sie von neuem in Besitz nehmen.
Der Weg war ziemlich holprig. Helen konnte das leise Klappern der Käfige hinten auf der Ladefläche hören. Seit ihr Luke die erste Wolfshöhle gezeigt hatte, war sie nicht mehr so weit oben in den Bergen gewesen. Sie musste an sein staubiges Gesicht denken, als er herausgekrochen gekommen war und ihr gesagt hatte, dass dort unten der ideale Ort zum
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