Im Land der glühenden Sonne: Die Australien-Saga (German Edition)
»Da ist wohl nicht mehr viel zu machen.«
»Spül ihn im Waschraum in der Kirche aus«, schlug Gwen vor. »Dann bekommst du wenigstens die gröbsten Flecken raus.«
»In der Sonne trocknet er wieder«, tröstete Colleen.
»Also gut, auf ein Neues«, sagte Bob.
Gwen sah besorgt auf ihre kleine Armbanduhr, als Bob hinter dem Lenkrad Platz nahm. Ein, zwei, drei Versuche, und der Wagen setzte sich mit einem Blubbern in Bewegung. Alle jubelten. Brian klatschte in die Hände, und alle drängelten wieder ins Auto, um die Fahrt fortzusetzen.
Obwohl sie spät kamen, hatte der Gottesdienst noch nicht begonnen. Sie machten rasch ihre Kniebeugen und schlichen dann zu einer der hinteren Bankreihen. Mehrere Kirchgänger wandten den Kopf, um zu sehen, wer die Neuankömmlinge waren. Abby setzte sich als Letzte und sorgte mit ihrem verdreckten Kleid bei einigen von ihnen für hochgezogene Augenbrauen.
Gwen mahnte Kevin mit einem Knuff zur Ruhe und zeigte den Mädchen, welche Seite sie in ihrem Gesangbuch aufschlagen mussten. Pfarrer O'Leary zog sein Messgewand zurecht, und Kevin schloss die Augen, als er mit der langen lateinischen Messe begann.
Als er bei der Predigt angelangt war, langweilte sich Brian, der zwischen Gwens Beinen auf dem Kniepolster gehockt hatte, entsetzlich. Sie gab ihm ihren Rosenkranz, den er sich über den Kopf zog, um mit dem silbernen Kreuz daran zu spielen. Sobald Brian ruhig war, konzentrierte sie sich wieder auf die Predigt.
»Heute«, begann Pfarrer O'Leary mit dröhnender Stimme, »da wir mit Gott dem Herrn den geheiligten Sonntag begehen, können wir uns von der harten Arbeit erholen, die wir in der vergangenen Woche geleistet haben. Doch es ist gut möglich, dass unter uns, die wir uns ehrlich mühen und der Lehre des Herrn folgen, hier und jetzt das Böse am Werk ist. Die schmutzige und gefährliche Doktrin des Kommunismus bedroht unsere Welt und breitet sich immer weiter aus. Ihre Saat wird von denen in unser schönes Land geschleppt, die von anderen Orten kommen und das zu zerstören suchen, was sie selbst nie kennen lernen und ihr Eigen nennen durften. Wir müssen uns vor dieser heimtückischen Seuche schützen. Hütet euch vor denen, die unsere Demokratie stürzen und alles zerstören wollen, was unseren Eltern und Großeltern lieb und teuer war, wofür sie kämpften und wofür sie starben. Der Kommunismus wird alles zunichte machen!«, wetterte der Priester und schüttelte drohend die Faust.
Kevin verstand das Gerede über den Kalten Krieg, den Kommunismus und die Atombomben nicht. Das schien alles nichts mit seinem Leben zu tun zu haben. Als der Priester fortfuhr, unterdrückte er ein Gähnen.
»Mit dem Kommunismus gehen Anstand, Sicherheit und Moral verloren. Wir alle müssen uns dieser Bedrohung standhaft entgegenstellen. In vielen Teilen Europas ist es katholischen Familien wie den euren nicht länger möglich, die heilige Messe zu besuchen oder öffentlich zu beten. Lasst uns darum beten, dass der Glaube dieser Familien die kommenden Jahre überleben kann. Ich bitte euch alle, den geheiligten katholischen Glauben in euren Familien zu stärken und zu bewahren. Betet zusammen, bleibt zusammen. Mütter, Väter und Kinder kniet euch abends gemeinsam nieder und betet den Rosenkranz, kommt gemeinsam zur Beichte und empfangt das heilige Sakrament. Lehrt die Kinder den geheiligten Glauben, verheiratet sie innerhalb des Glaubens, und der Glaube wird für immer mit ihnen sein. Und nun lasset uns für die Seelen der Heiden, der gewissenlosen Machthaber und der Missetäter beten, auf dass sie das Licht sehen und dem wahren Pfad Gottes zur Gerechtigkeit folgen.«
Unter Geraschel und Geraune kniete die Gemeinde zum Gebet nieder. Gwen faltete die Hände, legte sie auf die Rückenlehne der Vorderbank und stützte die Stirn darauf. Colleen hatte Angst und drängte sich eng an sie. Obwohl die Zehnjährige die Worte des Priesters nicht ganz verstanden hatte, begriff sie, dass da draußen eine Gefahr lauerte, die sich anschleichen und an den Wänden ihres sicheren Zuhauses rütteln konnte. Shirley ging dagegen furchtbar gern zur Kirche, liebte es, sich fein zu machen, sammelte Heiligenbildchen und konnte sogar einige Sätze aus der lateinischen Liturgie auswendig aufsagen. Colleen machte die Kirche immer Angst: Sie fürchtete sich vor den Drohungen, den Strafen, die es vom Himmel regnen würde, wenn sie Gott nicht gehorchte, und vor den Furcht erregenden Warnungen des Priesters. Sie hielt sich die
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