Im Land der Regenbogenschlange
VORWORT
Dieses Buch ist wie jedes meiner Bücher ein Minority Report , ein Bericht für die Minderheit. Es soll jenen gehören, die Reisen (und Leben) als einen Zustand begreifen, der einmalig ist. Der ihnen Gefühle zumutet, die anstrengen und â wenn gemeistert â reich machen. Reicher allemal, im Kopf, im Herz, tief im Bauch. Die 319 Seiten sind, auch das ist geblieben, ein vehementes Ja-Wort an die Welt, diesmal an die australische Welt. An ihre Wunder, an ihre wunderlichen Schrecken, ihre Schönheit, ja an all die Möglichkeiten, die sie vor uns ausbreitet. Damit wir etwas über den Kontinent und seine Bewohner erfahren, ihre Geschichten. Und über uns. So wie wir sind. Reisen als Offenbarungseid. Auch das.
Nicht geschrieben wurde das Buch für die Tranigen, die Luxusgeschöpfe, die Glotzer, die Virtuellen, die Langschläfer und alle anderen, die sich vorgenommen haben, der Welt und der Wirklichkeit aus dem Weg zu gehen. Sie werden sich hüten, es aufzuschlagen. Jeder Absatz würde sie daran erinnern, wie sterbensfad sie sich inzwischen in ihrem Alltag, ihrer Allnacht eingerichtet haben. Dösend. Nie plagt sie erhöhte Temperatur. Die Lauwarmen sind immer lau.
Was das Buch nicht ist, nimmer: Ein Reiseführer, mit keiner Zeile werde ich jemanden »führen«. Es ist ein Tagebuch, ein Fahrtenschreiber, ein Notizheft, in dem jeden Tag Australien und die Australier auftauchen. Und dazwischen melden sich eigene Gedanken zu Wort, Nebengedanken, Seitenhiebe, Widersprüche, Einsichten, Zweifel, Bewunderung, Wutsplitter, Einsamkeit, Lachanfälle, wieder Bewunderung, wieder Zweifel, wieder Lachen.
Natürlich taugt Im Land der Regenbogenschlange auch als Kriegserklärung an die Grauen Herren, jene umtriebigen Hanswurste, die sich vorgenommen haben, die Welt, die Weltbewohner, ihre Träume und ihr Verlangen nach Freiheit und Sinn zu demontieren. Jene Global Criminals , die uns in verschiedenen Kostümierungen begegnen. Mal als kriegslüsterne Politiker, die im Namen des Friedens morden, morden lassen. Mal als geifernde Hochwürden und Muftis, die uns mit ihren gräulichen Göttern in Atem halten. Mal als Natur abfackelnde Businessmen, die uns ihre höllischen Reden vom Wachstum um die Ohren hauen. Auch ihnen begegnet man in Australien. Wie den weiÃen Hassern, die sich noch immer der Herrenrasse zugehörig fühlen und bis heute nicht willens sind, den Aborigines â immerhin die ersten Australier â ohne AnmaÃung zu begegnen.
Die Reise über diesen riesigen Erdteil ist kein Ausflug für Zartlinge. Selbst als Leser wird man sich Schrammen und Flecken holen. Doch das wäre durchaus im Sinne des Verfassers. Hat er doch sein »Herz ausgeschüttet«, sein Australien. Und dessen Glanzpunkte und Geheimnisse, dessen Gemeinheiten, Wunden und Niederlagen. Und je inniger die Sprache den anderen berührt, desto inniger die Freude. Bei beiden. Dem Leser einen dicken Brief schreiben, ein Buch eben, das scheint bis zum heutigen Tag das probateste Mittel, um uns von der Welt und dem Staunen über sie zu erzählen.
Wer von Europa nach Australien fliegt, verliert einen Tag seines Lebens. 10â000 Meter über Asien verschwindet er, der Tag. Die Zeitverschiebung hat Schuld. Ein Zwilling, der in Sydney ankommt, ist älter als sein in Paris gebliebener Bruder. Absurd, aber wahr. Es gibt aber noch andere Gründe, um unnötig schnell auf dem Weg dorthin zu altern. Ich blättere im Heft, in dem das Unterhaltungsprogramm für den Flug steht. Grell wird der neue Film von Bruce Willis vorgestellt, Die hard 0.4 â A new breed of violence . Die Welt darf sich freuen. Hat sie doch die Schnauze voll von alter, althergebrachter Gewalt. Mister Willis und seine Mittäter haben sich für uns was Neues ausgedacht: brandneue Gewalttätigkeiten, um mit ihr (und uns) fertig zu werden. Der letzte Satz in der Ankündigung, der letzte von Bruce: »I kill you all«.
Neben dem Flachkopf steht ein Bericht über Elle Macpherson. Das Ex-Modell ist tatsächlich bemerkenswert attraktiv. Auf das »Geheimnis ihrer Schönheit und Harmonie« angesprochen, meint die heute 44-Jährige, die einst als The Body berühmt wurde: »Viel Wasser trinken und viel schlafen.« Das muss ein wildes Leben sein, nach dem vielen Schlafen kommt das viele Wassertrinken. Und doch, irgendwie beneidet man die Australierin. Wie man immer
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