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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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Syphilitiker. Die Expedition war eine passende Gelegenheit, um unliebsame Subjekte auf lebenslänglich zu expedieren.
    Das unergründliche Menschenherz. Als die Australier, die weißen Australier, 1988 die zweihundert Jahre ihrer Ankunft feierten, war ich zum ersten Mal in Sydney. Für eine Reportage über den fantasievoll inszenierten Rausch. Während der wochenlangen Geburtstagsparty lief ich dem 80-jährigen Len über den Weg. Er erzählte, dass seine Landsleute immer beleidigt waren, wenn ihnen andere ihre »mörderische Vergangenheit« vorwarfen. Bis sie erkannten, dass das brave Leben ungenießbarer war als das unanständige. Und anfingen, mit Emsigkeit nach einem Bösen im Stammbaum zu suchen, einem Verwegenen. Deshalb gehörte Len zu den vielen Verzweifelten, die seit Monaten Bibliotheken und Geburtsregister der Pfarreien durchstöberten, mit Vergrößerungsgläsern vor Mikrofilmen saßen, lange Briefe an die British Library in London schrieben, ja, einen professionellen Genealogen anheuerten, um endlich – very funny – erleichtert auszurufen: »I've got at least one convict in my family«, immerhin ein Sträfling in der Familie.
    Ein solches Geständnis brachte Ansehen. Somit war der Nachweis angetreten, dass man zu den Allerersten gehörte und die Wurzeln bis nach Great (groß!) Britain zurückreichten. Und wäre der Urvater ein Lustmörder, Sodomit oder Taschendieb gewesen. Sie alle, Len und die anderen Hunderttausend, müssen wohl irgendwann den Satz von Billy Wilder gehört haben: »Tugend ist nicht fotogen, das ist eine Grundregel. Bösewichte interessieren jeden, Volksschullehrer-Fräuleins niemanden.« Deshalb auch die herbe Enttäuschung, wenn kein Halunke zum Vorschein kam, nur sechs, sieben Generationen Biedermänner und Biederfrauen.
    Ein Gang durch die Barracks kann nur eine Ahnung vermitteln von dem, was die 1050 Männer und (wenigen) Frauen erwartete: Ein unbrauchbares Land, der steinharte Boden, die gigantischen (unfällbaren) Eukalyptusbäume, die gemeine Sommerglut, die Bisse fetter Ameisen, der Mangel an Nahrung, der Mangel an Sex, die trostlose Zukunft. Und von der Stunde Null an der Kampf mit den »Eingeborenen«, die nicht europäisch, nicht englisch zivilisiert werden wollten. Zwei Welten gerieten aneinander. Jene, die Natur erobert und plündert, und jene, die immer nur zeitweiser Gast sein will, die nehmen kann, ohne zu ruinieren. Eine Welt, in deren Sprachen kein Wort für Besitz existierte.
    Faszinierender Geschichtsunterricht findet auf den drei Stockwerken statt. Nachrichten aus der Schreckenskammer Australien. Über einen gewissen Thomas Haynes kann man nachlesen, dass er sich weigerte, das verabreichte Gefängnisbrot zu essen. Er ruft zum Brotstreik auf, der Direktor lässt es prüfen, es wird als »good and wholesome«, als gut und gesund, befunden, ergo: fünfzig Peitschenhiebe für den Aufrührer. Die Herren Dignum und Hughes kauften ihren Kollegen die Gefängniskleidung ab. Um sie auf dem Schwarzmarkt zu verschleudern. Das machte acht Tage Einzelhaft, 15 Shilling Bußgeld und 15 Tage Tretmühle. Jene Vorrichtung, die gerade in England erfunden worden war: Mit vier Eisen an Armen und Beinen behängt auf Sprossen steigen und lostreten. Vollkommen nutzlos, vollkommen sinnlos. Wäre nicht der Sinn, dem Mann (oder der Frau) den Stumpfsinn des Daseins einzubläuen. Und am Ende mit gerissenen Achillesfersen und blutigen Händen vom Marterpfahl steigen.
    Ein Inhaftierter beschreibt die Szene seiner Auspeitschung. Es gab einen Weg, um die hundert Hiebe abzumildern. Der Peitscher fragt sein Opfer diskret:
    â€“ Is there any hangings to it? (Irgendwas für mich drin?)
    â€“ Yes.
    â€“ All right.
    Und dann – nun versichert, dass er später dafür belohnt wird – holt der Hiwi aus. Nur barbarisch, nicht extrem barbarisch.
    Wie zu allen Zeiten führte die physische Nähe von Männern (und die Ferne der wenigen Frauen) zu homosexuellen Vermengungen. Damals ein Verbrechen von »abscheulicher Natur«. Am 8. Februar 1812 erwischt es Thomas B. und William B., sie werden zu körperlicher Züchtigung und zu drei Jahren Lager in weit entlegene, noch unwirtlichere Landstriche verurteilt, mit noch mehr Arbeit, noch weniger Frauen. Und zu einer Stunde am Pranger stehen, wobei »die Entrüstung der Bevölkerung derart groß

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