Im Land der Sehnsucht
dem es zur Sprache kam. Doch warum erzählen Sie mir das alles, Lois?“
Die junge Frau zog spöttisch die Augenbrauen hoch. „Entschuldigen Sie, meine Liebe, wir befinden uns nicht auf gleicher Ebene, daher verbietet sich diese Anrede. Was Georgy betrifft … Ich habe bisher mit keinem Menschen darüber gesprochen. Die Sache ist ein Familiengeheimnis. Tara hatte auf einer Party zu viel getrunken und landete mit einem Typ aus einer Band im Bett. Das war der größte Fehler ihres Lebens. Der Mann hat ihr nichts bedeutet. Sie hatte Sehnsucht nach Holt, der auswärts war. Sie war verrückt nach ihm, konnte aber keine Minute ohne Sex auskommen. Damit hat sie ihn verloren. Einfach so.“ Lois schnippte mit den Fingern. „Ich werde das Geheimnis auch weiterhin hüten … unter einer Bedingung.“
„Dass Holt Sie heiratet?“ Marissa konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Die Schwester seiner Exfrau?“
„Warum nicht?“, fragte Lois kalt.
„Das würde er niemals machen. „Sie tun mir aufrichtig leid, Lois. Unerwiderte Liebe muss qualvoll sein.“
Diesmal überhörte Lois die vertrauliche Anrede. „Außer mir ist da noch meine Freundin Sue Bedford“, fuhr sie fort. „Seit sie abgenommen hat, sieht sie viel besser aus. Holt muss wieder heiraten, weil er unbedingt einen männlichen Erben braucht, denn Georgy kommt nicht infrage. Sue hat gute Chancen, Holts nächste Frau zu werden. Außerdem würde meine Familie sie unterstützen.“
Marissa wollte das Gespräch so schnell wie möglich beenden. „Können Sie nicht deutlicher werden?“, fragte sie. „Ich vermute, Sie wollen mir drohen.“
„Drohen?“ Lois gestikulierte mit ihren tadellos manikürten Händen, als wäre sie auf der Bühne. „Ich möchte Sie lediglich um etwas bitten. Verschwinden Sie von hier. Nicht bei Nacht und Nebel, das verlange ich gar nicht. Sagen Sie einfach, dass Sie Sehnsucht nach Ihrer Heimatstadt haben. Sie passen nicht hierher, meine Liebe. Mit einem Alkoholiker als Vater, der sich zudem noch mit einer Südseeinsulanerin eingelassen hat … Wir wissen alles über Sie, Miss Devlin. Mag der Junge auch nicht Ihr Sohn sein, hier haben Sie verspielt. Ich begreife nicht, wie Sie glauben konnten, die passende Frau für Holt zu sein. Nicht jemand wie Sie, Kindchen. Man würde über Sie reden. Sie würden zum Gespött der ganzen Nachbarschaft.“
Marissa unterdrückte ihre Empörung. „Was sind Sie bloß für ein Mensch“, sagte sie nur. „Sie riskieren das Seelenheil Ihrer kleinen Nichte, um Ihre egoistischen Ziele zu erreichen.“
Lois funkelte sie hasserfüllt an. „Das können Sie verhindern, indem Sie verschwinden.“
Marissa sah Lois durchdringend an. „Und wenn ich Holt alles erzähle?“
„Wenn Sie ihn lieben, werden Sie schweigen und gleich nach Neujahr von hier weggehen. Erfinden Sie einen Freund, wenn Ihnen nichts anderes einfällt. Beklagen Sie sich über das Leben im Outback, über die Einsamkeit und die Hitze. Sagen Sie, was Sie wollen, nur verschwinden Sie endlich. Wir sind nicht kleinlich. Sie werden Geld brauchen, und wir sind bereit, Ihnen auszuhelfen. Was halten Sie von zwanzigtausend?“
Marissa konnte sich kaum noch beherrschen, und dieses Angebot gab ihr den Rest. „Zu wenig“, erwiderte sie kurz angebunden.
Lois seufzte. „Wir könnten bis fünfundzwanzigtausend gehen.“
„Fünfunddreißigtausend und keinen Cent weniger.“
„Was für eine raffgierige Person Sie sind!“, höhnte Lois. „Dreißigtausend.“
„Ihre Familie muss ziemlich reich sein.“
Lois lächelte hämisch. „Das ist allgemein bekannt.“
„Dann sollte ich vielleicht noch mehr verlangen.“
„Treiben Sie es nicht zu weit, Miss Devlin. Dreißigtausend ist mein letztes Angebot.“ Lois stand auf und strich ihre Hose glatt. „Ihre Zeugnisse sind echt, daran besteht kein Zweifel. Sie werden mühelos eine neue Anstellung und für den Jungen eine gute Schule finden. Sorgen Sie nur dafür, dass Ihre Begründung glaubhaft klingt. Holt muss Ihnen abnehmen, dass Sie wirklich wegwollen.“
Als Lois schließlich mit ihrer Freundin aufbrechen wollte, wandte sich Sue Bedford an Marissa und lud sie zum Neujahrsball nach „River Downs“ ein.
„Sie müssen unbedingt kommen“, sagte sie und sah dabei Holt bewundernd an. Marissa hatte das unangenehme Gefühl, dass es ihr nur darauf ankam, damit auch Holt zu einem Besuch zu bewegen. Sogar Lois lächelte katzenfreundlich, obwohl sie zweifellos nach einer Möglichkeit suchte,
Weitere Kostenlose Bücher