Im Land der Sehnsucht
dem festlichen Rahmen, dem erlesenen Essen und den ausgesuchten Geschenken, fesselten Marissa vor allem die Gespräche, die geführt wurden. Manchmal saß die Familie bis spät in die Nacht beisammen und tauschte Erinnerungen aus: ernste und traurige, aber auch lustige, über die Holts Schwestern endlos lachen konnten. Sie vergötterten ihren Bruder, was Marissa zutiefst rührte, weil sie es gut verstehen konnte.
Als an dem auf die Weihnachtstage folgenden Morgen die Abreise bevorstand, umarmten sich alle, küssten sich und versicherten, nie ein schöneres Weihnachtsfest erlebt zu haben. Marissa wurde dabei wie ein vertrautes, von allen geliebtes Familienmitglied behandelt. Niemand betrachtete sie mehr als Fremde oder gar als Angestellte. Sie und Riley gehörten einfach dazu, als wäre es nie anders gewesen.
„Du hast ein unbestreitbares Talent, dich beliebt zu machen“, stellte Holt trocken fest, als sie an der Startbahn standen und dem Charterflugzeug nachsahen, das Holts Verwandte nach Melbourne zurückbrachte. „Alle waren begeistert von dir.“
„Und ich von ihnen.“ Marissa gehörte zu den bescheidenen Menschen, die sich eher wunderten, wenn andere sie sympathisch fanden.
„Wirst du nun wieder in die Rolle der strengen Erzieherin schlüpfen … jetzt, da wir allein sind?“, fragte Holt.
„Nur wenn es sein muss“, antwortete Marissa mit einem verräterischen Lächeln.
„Dann versprich mir, nie wieder an mir zu zweifeln“, sagte er und zeigte auf die Kinder, die immer noch neben der Piste herliefen und dem Flugzeug nachwinkten.
„Das tue ich“, erwiderte sie. „Taras Besuch war eine gute Lehre für mich.“
„Dann lass uns nach Hause fahren.“
Nach Hause. Wieder durchzuckte es Marissa bei diesem Wort. Würde „Wungalla“ doch noch ihr Zuhause werden?
Wie so oft im Leben wählte das Schicksal den schönsten Moment, um die Idylle zu zerstören. Lois kündigte telefonisch ihren Besuch an. Sie hatte aus verständlichen Gründen keine Einladung zu Weihnachten erhalten und war dafür zu ihrer Freundin Sue Bedford gefahren, deren Familie die Nachbarranch „River Downs“ gehörte, wo Lois über Silvester bleiben wollte, um den großen Neujahrsball mitzuerleben, zu dem auch Holt eingeladen war.
Olly hatte den Anruf entgegengenommen und überbrachte Marissa die Nachricht. „Sie hat ein Geschenk für Georgy und will es ihr unbedingt persönlich übergeben“, erzählte sie unglücklich.
Wieder musste Marissa Nabila satteln und zu Holt hinausreiten, um ihm die unangenehme Neuigkeit zu überbringen. Er reagierte heftiger, als es sonst seine Art war.
„Zum Teufel mit den Aldridges“, schimpfte er. „Wird man sie denn nie los? Warum hat Olly nicht einfach den Hörer aufgelegt?“
„Das steht ihr nicht zu“, erinnerte Marissa ihn. „Sie ist nicht die Besitzerin von ‚Wungalla‘.“
„Du hast recht.“ Holt strich sich seufzend das Haar aus der Stirn. „Lois wird Ärger machen, darauf kannst du wetten. Wäre ich den beiden Schwestern doch nie begegnet!“
Zur allgemeinen Überraschung zeigte sich Lois von ihrer besten Seite, was vielleicht daran lag, dass sie von Sue Bedford begleitet wurde. Sue war eine stattliche junge Frau. Sie hatte dunkelblondes Haar und große braune Augen und blickte Marissa, als sie einander vorgestellt wurden, für einen Moment forschend, aber nicht unfreundlich an.
Die beiden Frauen waren im Hubschrauber gekommen, den Sue selber fliegen konnte. Olly servierte den unerwünschten Gästen frisch gebackene leckere Rosinenbrötchen und Sandkuchen zum Tee. Marissa entschuldigte sich, schließlich war Lois nicht ihretwegen gekommen, obwohl sie bei der Begrüßung die gute alte Freundin spielte.
Doch Catherine kam zur Begrüßung herunter und leistete Lois und ihrer Freundin beim Tee Gesellschaft, was als große Seltenheit galt. Offensichtlich tat sie es wegen Sue, die sehr beliebt zu sein schien.
Marissa hatte versprochen, die Kinder zu suchen, und fand sie hinter dem Haus, wo eine Schaukel hing. Georgina saß darauf und ließ sich von Riley immer höher schubsen.
„Deine Tante möchte dich sehen, Georgy!“, rief Marissa. „Hör auf, Riley.“
Riley gehorchte sofort, lief auf Marissa zu und umarmte sie stürmisch. „Ich kann auch nicht mehr“, keuchte er. „Ich krieg schon keine Luft mehr.“
„Dann lass es gut sein.“ Marissa zauste ihm zärtlich das Haar. „Komm, Georgy.“ „Nein“, antwortete das Mädchen und nahm neuen Schwung.
„Sei brav,
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