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Im Land der tausend Sonnen

Titel: Im Land der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Inspektor, der vom Militär zur Abteilung für den Schutz der Bürger und Seefahrer in der Umgebung der Docks abgestellt worden war, hatte zugegeben, dass der Mord nicht hier geschehen sein konnte. Bei der Suche unter dem Schein der Laternen hatten sie kein Blut auf den faulenden Holzbohlen, sondern lediglich Schleifspuren entdeckt. Ratlos hatten sie in die engen, düsteren Straßen geblickt, mit ihren ärmlichen Unterkünften, die sich wie Kaninchenställe manchmal fünf Stockwerke hoch erhoben und Unterschlupf für Verbrecher, Schläger und Schmuggler boten – eine Heimstatt der Verzweifelten und Verkommenen, allesamt eine Gefahr für die ehrlichen Bürger und die Bewohner der Gasthäuser und Pensionen, die nervös darauf warteten, dass sie an Bord ihrer Schiffe gerufen wurden. Es schien, als sei dieser Teil der Menschheit hier in eine Sackgasse geraten, hier im Gewoge des Hafenviertels, das nur einigen wenigen Glücklichen ein Entkommen gestattete.
            Backhaus fauchte sie an: »Jemand muss ihn hierher gebracht haben! Hättet ihr die Augen offen gehalten, wäre euch ein Verdächtiger aufgefallen. Oder glaubt ihr vielleicht, es sähe nicht verdächtig aus, wenn einer eine Leiche mit sich herumschleppt?«
            Sie hüteten sich, darauf hinzuweisen, dass diese kopfsteingepflasterten Gassen und Unterführungen zu den Werften ein regelrechtes Labyrinth waren. Sie konnten nicht ständig überall gleichzeitig Streife gehen. Wachtmeister Fritz hatte den Inspektor schon vor einem Monat darauf aufmerksam gemacht und war auf der Stelle entlassen worden. Backhaus war ein harter Mann. Nicht einmal als der arme Bruno Fischer von Schlägern überfallen wurde, die ihm seine Laterne raubten, zeigte er Mitleid. So, wie der Inspektor sich damals aufführte, hätte man meinen können, Bruno selbst sei der Täter.
            »Eine Laterne zu verlieren«, sagte der Inspektor, »ist dasselbe, als würde ein Soldat seine Waffe verlieren.«
            Dieser Inspektor war zweifellos ein wenig verrückt. Und aufbrausend. Am besten stellte man sich gut mit ihm. In diesem Augenblick hätten sie um ein Haar hämisch gelacht, als er auf dem nassen, verzogenen Holz ausglitt, sich jedoch gerade noch vor einem Sturz retten konnte, indem er sich mit der Linken abfing und so das Gleichgewicht wiederfand. Seine rechte Hand hätte ihm auch nicht viel genützt. Sie hing nahezu unbrauchbar herab, als Folge von Säbelhieben, Verletzungen, wie man hörte, die tiefer gingen als nur ins Fleisch. Verletzungen, die ihn vom Militär hier in den Hafen geführt hatten – einen griesgrämigen, verbitterten Mann.
            Sie sollten nicht wissen, dass ihr Vorgesetzter auf einem Feldzug befördert worden war, wenige Tage vor seiner Verwundung, und die Beförderung war in seinen Entlassungspapieren nicht aufgeführt. Trotz all seiner Proteste, trotz seiner Beteuerung, dass er in Wirklichkeit nicht mehr Offiziersanwärter, sondern Offizier sei und daher Anspruch auf eine Pension habe, stand er auf verlorenem Posten.
            Backhaus selbst hasste seine Arbeit, wagte jedoch nicht, sie aufzugeben, solange sich ihm keine andere Beschäftigung bot. Er konnte seine Familie nicht ernähren von dem Hungerlohn, den er bekam, es war weit weniger, wie er bald herausfand, als die Summe, die der Hafenbeamte ihm genannt hatte. Im Grunde war alles, was er besaß, ein wohlklingender Titel für einen Posten, der dem eines Hauptwachtmeisters gleichkam, und ein Haufen Schulden. Er schlug zurück, indem er seine Männer anschnauzte und den Eindruck eiserner Disziplin erweckte – und indem er die Berichte fälschte. Kristian Backhaus war es völlig gleichgültig, wie viele Menschen in seinem Bezirk beraubt, ermordet oder schanghait wurden, solange seine Berichte zeigten, dass die Verbrechensrate unter seiner Führung zurückging – auf dem Papier tat sie genau das, und zwar in äußerst zufrieden stellendem Tempo, wodurch seine Vorgesetzten auf ihn aufmerksam werden und ihn vielleicht für verantwortungsvollere Posten vorschlagen würden.
            Er blieb stehen und zündete sich eine Zigarre an. »Wo ist dieser Kerl?«
            »Der Pfarrer? Er ist da drüben im Wachhäuschen. Er hat es eilig. Muss auf sein Schiff.«
            »Er geht an Bord, wenn ich es sage, vorher nicht. Bringt ihn in mein Büro.«
            »Büro«, murmelte er vor sich hin. »Eher eine Zelle als ein Büro.« Man hatte einen

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