Im Mittelpunkt Yvonne
Bruder wegen Mordes verhaftet! Was werden Ihre Freunde und Bekannten dazu sagen, und was wird aus Ihrer Praxis? Ihre Golfpartner werden stolz auf Sie sein, wie?«
Dr. Wells schien in seinem Bademantel zusammenzuschrumpfen.
»Ziehen Sie sich an«, sagte Sellers noch einmal.
»Leutnant... ich werde Ihnen sagen, wie es ist. Ich...«
»Sie sollen sich anziehen!«
»Ich sage Ihnen doch, daß...«
»Dann gehen Sie eben mit, wie Sie sind«, sagte Sellers und begann, ihn zur Haustür zu zerren.
»Nein, nein, nein! Ich werde mich anziehen.«
»Ich gehe mit Ihnen nach oben.«
Sellers folgte ihm die Treppe hinauf. Ich hörte eine Frau schluchzen und ein Kind laut weinen, und sehr bald kam Sellers mit Dr. Wells wieder die Treppe herab.
»Ohne Haftbefehl dürfen Sie mich gar nicht mitnehmen«, protestierte Wells.
»Ich tue es aber, das sehen Sie doch!« entgegnete Sellers.
»Das wird noch böse Folgen für Sie haben!«
»Lassen Sie das meine Sache sein.« Sellers schob Wells vor sich her zum Bürgersteig und ins Polizeiauto. Wir saßen zu beiden Seiten von ihm.
Der Wagen fuhr los. Über Dr. Wells hinweg fragte mich Sellers: »Er hat doch mit seinem Bruder telefoniert, nicht wahr, Donald?«
»Hat er«, bestätigte ich. »Er erklärte Drury, er könne sich nicht länger für ihn einsetzen. Vierundzwanzig Stunden Vorsprung würde er ihm noch geben.«
»Das genügt für uns«, sagte Sellers, »nun kriegt er seinen Prozeß vor dem Schwurgericht.«
Ungefähr zwei Minuten fuhren wir schweigend weiter, dann war Wells schon weich und nannte uns eine Adresse.
»Wurde auch Zeit, daß Sie zu Verstand kamen«, sagte Sellers, trat den Knopf für das auf dem Wagendach kreisende rote Alarmlicht und gab Vollgas. Die Sirene betätigte er nicht.
Frank Sellers ist ein erfahrener Kriminalist, mit allen Wassern gewaschen. Schon weit vor dem genannten Hause stellte er Scheinwerfer und Motor ab und steuerte in gleitender Fahrt ganz dicht am rechten Bordstein entlang. Er hielt nicht mit der Fußbremse an, sondern zog ganz sanft die Handbremse, bis der Wagen geräuschlos stand. Dann steckte er den Zündungsschlüssel in die Tasche und sagte zu Dr. Wells: »Ich will es bei dieser Sache nicht aufs Äußerste ankommen lassen und möchte nicht erst schießen müssen. Wenn wir an der Tür sind und Ihr Bruder fragt, wer da ist, sagen Sie bloß >Carleton<, nichts weiter. Nur Ihren Vornamen. Dabei bleibt’s. Ist das klar«
Dr. Wells nickte stumm.
»Dann vorwärts«, sagte Sellers.
Wir gingen in das Apartmenthaus, zwei Treppen hinauf und durch einen Korridor bis zu einer Tür, unter der ein Streifen Licht durchschien.
Innen bewegte sich jemand in wilder Hast, das konnten wir
an seinen Schritten hören. Wiederholt huschten Schatten durch den schmalen Lichtspalt.
Sellers gab Dr. Wells einen stummen Wink.
Zaghaft klopfte Wells an. Im selben Moment stockte drinnen jede Bewegung. Wieder sah Sellers den Doktor an und nickte ihm zu. Mit dünner, vor Angst beinah schriller Stimme sagte Wells: »Ich bin’s, Drury. Carleton.«
Schritte näherten sich der Tür.
»Wer?« fragte eine Männerstimme in der Wohnung. »Carleton. Laß mich hinein.«
Die Tür war nicht von innen zugeschlossen. Ein Riegel glitt zurück, sie ging auf. Sellers warf sich sofort mit der Schulter gegen die Füllung und sprang, die Pistole in der Faust, mit einem Satz in den Flur.
»So! Hände hoch, Wells, und so stehenbleiben!« sagte er. »Kriminalpolizei. Sie sind verhaftet unter Mordverdacht. Stellen Sie sich mit dem Gesicht zur Wand, legen Sie die Handflächen dagegen und setzen Sie die Füße weit zurück. Vorgebeugt stehenbleiben, Hände an der Wand!«
Drury Wells hatte erst Sellers, dann mich angeblickt, und als er den Ausdruck im Gesicht seines Bruders sah, drehte er sich schweigend um und stellte sich so an die Wand, wie Sellers es verlangte. Offenbar war es ihm nicht ganz neu, von der Polizei visitiert zu werden.
Sellers nickte mir zu. »Filzen Sie ihn, Donald.«
Aus der Halfter unter Wells’ linkem Arm zog ich einen Revolver, Kaliber 9,6 Millimeter, und der Gründlichkeit halber auch das Taschenmesser aus seiner Gesäßtasche.
»Sonst noch etwas?« fragte Sellers.
Ich tastete Wells aufmerksam ab. »Das ist alles, er ist waffenrein«, sagte ich.
»Kehrtmachen«, forderte Sellers ihn auf.
Wells, drehte sich um. »Da hört doch alles auf!« rief er. »Man hat mich herumgehetzt und...« Er unterbrach sich, fixierte mich wütend und sagte: »Sie sind der Kerl,
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