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Im Namen Ihrer Majestät

Im Namen Ihrer Majestät

Titel: Im Namen Ihrer Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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schlug Stan unerwartet eine ganz andere Richtung ein.
    »Papa sagt, daß du auch Kommunist bist«, sagte er mit einem Tonfall, der um ein Dementi zu bitten schien.
    Carl reagierte mit einer Gegenfrage. »Weißt du, was die SEALS der Navy sind?«
    »Aber klar! Special Warfare Center auf Coronado in San Diego, das weiß doch jeder Idiot«, erwiderte Stan entrüstet, als wäre es eine absurde Vorstellung, daß ein normaler achtjähriger Amerikaner die militärischen Eliteeinheiten der Nation nicht kannte.
    »Na schön«, sagte Carl und lächelte über den Eifer des Jungen. »Ich bin ein SEAL. Åke, der große Blonde, der gerade zu Besuch ist, ist auch einer. Du glaubst doch wohl nicht, daß die amerikanische Marine irgendwelche verdammten Kommunisten bei den SEALS der Navy zulassen würde?«
    Der Junge sah ihn zunächst fragend und forschend an, doch dann sprudelte er begeistert los.
    »Wow!« rief er aus. »Stimmt es wirklich? Bist du ein echter SEAL?«
    »Aber ja, so echt, wie man nur sein kann«, lächelte Carl zufrieden und richtete einen gespielten, weichen, freundschaftlichen Schlag gegen das Gesicht des Jungen.
    »Jesses! Du kannst also sozusagen hier ins Wasser tauchen und richtig verschwinden?«
    »Aber ja«, sagte Carl. »Ich verschwinde hier im Wasser, du siehst nicht, wo ich bleibe, und entdeckst mich erst, wenn ich dich fünf oder zehn Minuten später berühre. Kinderleicht. Wie ein Spaziergang im Park.«
    »Wollen wir um einen Dollar wetten?« sagte der Junge verschmitzt.
    »Okay, um einen Dollar, abgemacht«, erwiderte Carl und stand auf. Er zog die Brieftasche aus der Gesäßtasche, reichte sie dem Jungen und stürzte sich ins Wasser. An der Anlegebrücke war das Wasser drei Meter tief. Der Mälarsee war an dieser Stelle um diese Jahreszeit so voller Algen, daß Carl nicht zu sehen war. Der Lichteinfall von der Oberfläche machte es ihm trotzdem leicht, sich zu orientieren. Er schwamm zunächst so nahe am Grund wie möglich vom Ufer weg und verschwand zwischen den langen Fäden der Wasserpest. Carl spürte plötzlich ein Glücksgefühl, als er mit ruhigen Zügen durch das kühle Wasser schwamm. Die Kleidung und die Turnschuhe bremsten seine Bewegungen, doch wenn er ökonomisch schwamm, würde er sich mindestens fünfzig Meter entfernen können, bevor er den Schilfgürtel erreichte. Der letzte Teil war schwierig: Er mußte ins Schilf hineinkommen, ohne es in eine Bewegung zu versetzen, die man an der Wasseroberfläche sehen konnte. Er zog sich langsam voran; seine Lungen drohten zu zerplatzen, und der Körper meldete den Sauerstoffmangel. Er zwang sich trotzdem noch mehrere Meter weiter, bevor er vorsichtig zwischen den Schilfhalmen auftauchte. Dann bog er sie langsam zur Seite und spähte hindurch. Er sah, wie Stan aufstand und intensiv aufs Wasser spähte.
    Carl kroch langsam an Land und zog im Schutz des Schilfs seine Kleider aus. Mit den Kleidern in der Hand schlich er in einem weiten Halbkreis, bis er nahe der Brücke hinter einem dicken Ulmenstamm gleich neben dem Pfad zum Haus stehenblieb. Jetzt blieb noch der schwierigste Teil. Sollte er die Wette gewinnen oder nicht? Was würde dem Jungen am besten gefallen: Wenn er einen Dollar damit gewann, daß Carl den Versuch machte, sich draußen auf der Anlegebrücke von hinten anzuschleichen, um dann in ein paar Meter Entfernung entdeckt zu werden? Oder wenn Carl wartete, bis der Junge es nicht mehr aushielt und am Baum vorbei zum Haus lief, um die anderen zu alarmieren?
    Die Entscheidung fiel Carl nicht leicht. Es war verführerisch zu warten, bis der Junge in Panik geriet und die Wette verlor. Darin läge so etwas wie Wahrheit. Es wäre pädagogisch richtig. Carl würde erklären können, daß es in Wirklichkeit genau so funktionierte.
    Doch was hatte die Wirklichkeit mit dieser Wette zu tun? Für ihn ging es darum, Stan für sich einzunehmen, und nicht darum, ihn mit maximalem Einsatz zu besiegen. Es war besser, die Wette knapp zu verlieren, als sie mit dem Einsatz seiner überlegenen Kräfte zu gewinnen.
    Als der Junge sich auf den Bauch legte, um ins Wasser zu spähen, nahm Carl die Chance wahr und ging schnell weiter, und zwar neben dem Kiesweg, auf dem seine Schritte zu hören gewesen wären. So konnte er den Fuß auf die von der Sonne erwärmte Holzbrücke setzen, bevor der Junge sich gerührt oder seine Stellung verändert hatte.
    Jetzt durfte er nicht allzu schnell weitergehen, damit die Vibrationen seiner Schritte ihn nicht verrieten. Doch als

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